Montag, 4. November 2013

Society



Society (OT: Society, AT: Dark Society, USA: 1989, Regie: Brian Yuzna)

Kritik: Der junge Bill Whitney gehört der High Society von Beverly Hills an, hat reiche Eltern und eine hübsche Schwester. An der Highschool ist er äußerst beliebt, er steht kurz vor der Wahl zum Schulpräsidenten, und er hat eine hübsche Cheerleader-Freundin. Doch er besucht auch regelmäßig einen Psychiater, weil er unter Ängsten leidet und zunehmend Wahnvorstellungen entwickelt. Er beobachtet seine Schwester beim Duschen und glaubt, durch die durchsichtige Duschkabine zu sehen, dass ihr Körper total verdreht ist, der Po befindet sich vorne. Und tatsächlich scheinen sich auch Familie und Freunde langsam zu verändern. Als ihm ein Mitschüler ein merkwürdiges Tonband vorspielt, seine Eltern und seine Schwester unterhalten sich darauf über Inzest und Gruppensex, und dieser Schüler kurz danach stirbt, ahnt Bill, dass etwas Unheimliches in seiner Umgebung vorgeht. Er stellt mit seinem Freund Milo Nachforschungen an und kommt einer geheimen Gesellschaft auf die Schliche. Auf wilden Partys der High Society werden Menschen verspeist und es werden inzestuöse „Paarungen“ vollzogen. Eine solche Party findet ausgerechnet in Bills Elternhaus statt. Dort erfährt er, dass seine Eltern nicht seine richtigen Eltern sind, sondern dass er adoptiert und aufgezogen wurde mit dem Zweck, der elitären Gesellschaft eines Tages als Nahrung zu dienen. Dieser Tag ist nun gekommen. Als sich ein Mitgleid der Gesellschaft über Bill hermacht, grölt die Masse nur: „Saug ihn aus!“

Der Film „Society“ aus dem Jahr 1989 ist Brian Yuznas erste Regiearbeit und wohl einer seiner politischsten und bedeutendsten Filme. Die bissige Sozialkritik des Films funktioniert zeitlos. Auch und gerade heute liest sich „Society“ als Parabel auf aktuelle Herrschaftsverhältnisse und die zunehmende Aufspaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. Yuzna kritisiert Korruption, Elitedenken und einen neuen Rassismus, einen Rassismus der Reichen gegenüber den Armen, die hier im wahrsten Sinne des Wortes „ausgesaugt“ werden. Ein Rassismus, der nur den Reichen u. a. uneingeschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheit und gesellschaftlichen Ressourcen ermöglicht. In diesem Sinne haben die Mitglieder der High Society an die Unterschichten nur eine konservative, rassistische Botschaft, die im Film durch den Psychiater vermittelt wird, der Bill warnt: „Menschen sind nun mal das, was sie sind, und du musst lernen, die gesellschaftlichen Regeln, die wir haben, zu akzeptieren... Wenn du diese Regeln nicht akzeptierst, wird etwas ganz Schreckliches passieren... Es gibt Menschen, die Regeln aufstellen, und es gibt Menschen, die sie befolgen müssen... Es hängt nur davon ab, als was du geboren wirst.“ Noch konkreter wird der Psychiater auf der Party im Haus von Bills „Eltern“: „Bill, du gehörst zu einer anderen Rasse als wir, einer anderen Spezies, einer ganz anderen Klasse. Man wird hineingeboren in diese Gesellschaft.“ Hier erinnert der Film stark an John Carpenters Meisterwerk „Sie leben!“ Bills Kontrahent Ted, der ebenfalls der Gesellschaft angehört, bringt es ganz undiplomatisch noch direkter auf den Punkt: „Die Reichen haben arme Schlucker wie dich immer schon geschluckt.“

In John Carpenters Film sind es ja tatsächlich Außerirdische, während es sich in „Society“ wohl um eine alte Rasse handelt, die sich parallel zur menschlichen entwickelt hat. Der Film geht nicht genauer auf dieses Thema ein. Die Gefühlskälte der Mitglieder der geheimen Gesellschaft wird im Film auch symbolisiert durch das Verhalten von Bills Familie. Als Bill ihnen mitteilt, dass ein Mitschüler gestorben ist, reagieren sie kalt und uninteressiert. Seine Schwester will nur wissen, was er anzieht. „Auf der Beerdigung?“, fragt Bill. „Nein, auf der Party heute Abend.“

Der Film kommt in der ersten Hälfte noch etwas daher wie eine Teenagerkomödie, wenn auch hier schon mit klaren Anspielungen. Doch dann nimmt er schnell an Fahrt auf. Berühmt und berüchtigt ist der Film „Society“, der in Deutschland auch mal unter dem Titel „Dark Society“ veröffentlicht wurde, für seine Schlussszenen, die letzten circa 15 Minuten. Die Mitglieder der High Society mit ihren schleimigen, völlig deformierten Körpern, sinnbildlich wohl für die deformierte Psyche der anderen Rasse, feiern eine orgiastische, inzestuöse Orgie, bei der auch ein Mensch „ausgesaugt“ wird. Hier zeigt Yuzna „glitschige“, eklige Bilder, die man so noch nicht gesehen hat und sich nur mit gesundem Magen anschauen sollte. Musikalisch begleitet wird das Ganze von Johann Strauss' „An der schönen blauen Donau“. Hände suchen sich über den Anus den Weg durch den Körper und kommen aus dem Mund heraus, Körper verschmelzen miteinander, und manche Mitglieder der High Society verwandeln sich in echte „Arschgesichter“. Der Spezialeffekte-Künstler Joji „Screaming Mad George“ Tani hat hier ganze Arbeit geleistet (siehe Foto). Die Botschaft am Ende des Films ist eindeutig. Hier muss einiges „umgestülpt“ werden. Das letzte Wort haben aber wieder die Mitglieder der geheimen Gesellschaft, die ankündigen, ihre Aktivitäten nun nach Washington zu verlegen...

„Society“ sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Mit seiner zeitlosen Gesellschaftskritik und den fulminanten, einmaligen Bildern gegen Ende des Films erhebt er sich weit über den Durchschnitt ähnlicher Genreproduktionen. „Society“ wurde 1990 indiziert und erhielt erst im Juli 2013 die FSK-16-Freigabe. Er liegt jetzt ungeschnitten vor. 

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Duschszene Schwester // Orgie der Society // Arschgesicht // Mutter und Tochter zu einem Körper verschmolzen // Gesichter verschmelzen mit menschlicher Nahrung

Bewertung: (7,5/10)

Sonntag, 3. November 2013

Der skandinavische Horrorfilm. Kultur- und ästhetikgeschichtliche Perspektiven


Niels Penke (Hg.): Der skandinavische Horrorfilm. Kultur- und ästhetikgeschichtliche Perspektiven, Bielefeld 2013

Zum ersten Mal wird hier der Versuch unternommen, einen Überblick über die Geschichte des skandinavischen Horrorfilms zu geben. Mit ein Grund dafür könnte der enorme Anstieg der skandinavischen Horrorfilmproduktion seit Mitte/Ende der 1990er-Jahre gewesen sein. Lars von Triers TV-Serie „Geister“ hat hier sicherlich Vorarbeit geleistet. Seit 2003 kam es zu einer gefühlten Explosion der Horrorfilmproduktion. Während in der Frühphase des Films in Skandinavien durchaus eine Reihe von Klassikern des Horrorgenres geschaffen wurden wie Victor Sjöströms „Der Fuhrmann des Todes“ (SW 1921), Benjamin Christensens „Häxan“ (SW 1922) oder Carl Theodor Dreyers „Vampyr“ (DK 1932), die Ausgangspunkt einer Tradition hätten werden können, folgten bis in die 1990er-Jahre hinein nur noch ein wenig mehr als ein Dutzend Filme dieses Genres. Darunter auch Ingmar Bergmans „Die Stunde des Wolfs“ (1968), ein Film, der zweifellos dem Genre des Horrorfilms zuzuordnen ist. Auch Bergmans „Das siebente Siegel“ (1957) mit dem personifizierten Tod und „Die Jungfrauenquelle“ (1959) können im weitesten Sinne dem Horrorgenre zugerechnet werden. Besonders Letzterer diente Wes Craven als Inspirationsquelle für seinen Exploitation-Horrorfilm „The Last House On The Left“ (1972).

In den letzten Jahren wurden wir aus Skandinavien dann mit so unterschiedlichen Filmen wie „Cold Prey“ (2006), „Frostbite“ (2006), „So finster die Nacht“ (2008), „Sauna“ (2008), „Antichrist“ (2009), „Reykjavik Whale Watching Massacre“ (2009), „Dead Snow“ (2009), „Trollhunter“ (2010) und anderen beliefert und unterhalten. Die meisten der bis jetzt erwähnten Filme sind Gegenstand der kultur- und ästhetikgeschichtlichen Untersuchungen in dem Buch. Unter anderem in komparatistischer Perspektive werden die skandinavischen Originale internationalen Horrorfilmen gegenübergestellt. So wird das Spezifische dänischer, norwegischer, schwedischer, finnischer und isländischer Filme (z.B. bezüglich der Rolle der Natur, Mythologie, nationaler und kultureller Besonderheiten etc.) herausgearbeitet. Marcus Stiglegger („Der ewige Schlaf. Über Vampyr von Carl Theodor Dreyer“) vergleicht in seinem Beitrag den Film „Vampyr“ unter filmästhetischen und inhaltlichen Gesichtspunkten mit internationalen Werken aus dem Horrorgenre, unter anderem mit Lucio Fulcis „Geisterstadt der Zombies“ (1980) oder den Werken Jean Rollins. Sehr gut gefallen hat mir auch der Aufsatz von Judith Wassiltschenko mit dem Titel „Globaler Kulturaustausch im Horrorgenre am Beispiel von 'Fritt Vilt' (Cold Prey, FS) und 'Reykjavik Whale Watching Massacre'.“ Weitere Beiträge beschäftigen sich u. a. mit der Figur des Todes in „Der Fuhrmann des Todes“, mit Ingmar Bergmans „Die Stunde des Wolfs“, Lars von Triers „Geister“ und „Antichrist“, der (De-)Konstruktion von Rollenbildern in schwedischen Vampirfilmen, mit dem Verhältnis von Räumlichkeit und Männlichkeitskonzepten im Film „Sauna“ und der Wiederkehr des Vergangenen in der Splatterkomödie „Dead Snow“. Petra Schrackmann wirft einen Blick auf das Phänomen der US-Remakes skandinavischer Horror- und Mysteryfilme. Das Buch als Ganzes gibt allgemein einen sehr guten Überblick über die Geschichte des skandinavischen Horrorfilms und ist somit für den interessierten deutschsprachigen Leser von einzigartigem Wert.

„Der skandinavische Horrorfilm“ ist leider sehr schlecht lektoriert worden. Es ist eben keine gute Idee, dem Herausgeber, selbst wenn er auch Germanistik studiert hat, gleichzeitig das verantwortungsvolle Handwerk eines Lektors zu übertragen. Das mag dem Verlag Geld sparen, ist der Sache aber nicht dienlich. Fehler springen einen gefühlt auf jeder zweiten Seite an, und der Lektor bzw. einige Autoren standen definitiv auf dem Kriegsfuß mit der Kommasetzung. Hoffentlich sind die Fakten, Jahreszahlen und Namensschreibweisen in dem Buch besser kontrolliert worden! Im Beitrag von Anna-Marie Mamar („Die Figur des Todes in Victor Sjöströms Körkarlen“) ist vergessen worden (?), die schwedischen Zitate ins Deutsche zu übersetzen, was besonders schade ist, da die Autorin ihre Argumentation oft mit besonders passenden Zitaten zu untermauern scheint. Selbst im akademischen Milieu wird es nicht gern gesehen, wenn „exotische“ Sprachen nicht übersetzt werden (zumindest im Anmerkungsapparat sollte das geschehen), weil es u. a. die Interdisziplinarität nicht fördert, aber in einem Buch, das sich auch an allgemein am Horrorfilm interessierte Leser wendet (das tut es doch?), ist das ein Ärgernis. Den Lese- und Verstehensprozess ebenfalls nicht erleichtert hat die Tatsache, dass nahezu sämtliche Autoren in ihren Aufsätzen durchgehend die skandinavischen Originaltitel verwenden, während die deutschen Titel sich entweder im Anmerkungsapparat verstecken oder nur einmal im Text erwähnt werden. Nach unterbrochener Lektüre oder wenn man vor- und zurückblättert, wird man hier immer mal wieder zum „Suchen“ gezwungen. Und unabhängig davon, wie man zur „Emanzipation“ steht, in einem Aufsatz folgende Sätze zu lesen, die nur vom Inhalt ablenken, ist der wahre Horror, zumindest für einen im Leseverhalten offensichtlich noch nicht zeitgemäß konditionierten und sozialisierten männlichen Rezensenten: „Doch da diese Filme auch von Nicht-NorwegerInnen bzw. Nicht-SkandinavierInnen gesehen werden, dürften auch kommerzielle Erwägungen auf der ProduzentInnen-Seite bestehen, ...“ (S. 197). Irgendwie konsequent ist es, wenn den AutorInnen skandinavischer Texte in der deutschen Übersetzung die gleiche „Innen“-Schreibweise aufgenötigt wird. Albern wird es, wenn man (Neben-)Sätze liest wie „... einE anonymeR RezensentIn nennt“ (S. 206, Großbuchstaben im Original!, FS). Trotz des nicht ganz leserfreundlichen Lektorats bleibt das Buch für mich dennoch eine klare Empfehlung.

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Extinction - The G.M.O. Chronicles



Extinction – The G.M.O. Chronicles (Deutschland 2011, Regie: Niki Drozdowski)

Kritik: Ein Jahr vor der Atomkatastrophe in Fukushima explodieren in diesem Zombiefilm in Europa die Atomkraftwerke und nötigen den Protagonisten den Plan auf, über Gibraltar nach Afrika zu fliehen, um der Strahlenkrankheit zu entkommen. Und zwei Jahre vor dem NSA-Skandal telefoniert ein in Deutschland tätiger NSA-Agent regelmäßig mit seinen Vorgesetzten. Er weiß mehr über die Ursachen der Zombie-Apokalypse, doch nicht einmal seiner Tochter hat er davon erzählt. Man kann Niki Drozdowski, dem Produzenten, Regisseur und Autor von „Extinction – The G.M.O. Chronicles“ in diesen beiden Punkten ein nahezu prophetisches Gespür in der Themensetzung bescheinigen. Ein außer Kontrolle geratenes Virus eines Biotechunternehmens ist die Ursache dafür, dass sich die meisten Menschen in Zombies verwandeln (na hoffentlich hat Drozdowski hier nicht noch eine weitere Vorahnung verarbeitet).

„Extinction“ erzählt die Geschichte einer Handvoll Überlebender, die offensichtlich immun sind. Sie besorgen sich Nahrung und Waffen und verstecken sich in einem riesigen umzäunten Areal, einem ehemaligen amerikanischen Militärgelände. Hier wähnen sie sich zunächst in Sicherheit vor den schnellen und langsamen Zombies, die nur tagsüber aktiv sind und nachts in eine Art Starre verfallen. Doch einige Zombies entwickeln sich ständig weiter. Irgendwann werden sie auch nachts zur Bedrohung, und selbst hohe Zäune stellen für sie kein Hindernis mehr dar. Die Gruppe muss ihr sicher geglaubtes Versteck verlassen.

„Extinction“ ist ein deutscher Zombiefilm, der in und um Köln gedreht wurde. Jeder Versuch, in Deutschland dem Genrekino zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, ist grundsätzlich lobenswert. Und es gelingt dem Film sehr gut, eine bedrohliche, apokalyptische Atmosphäre zu schaffen. Die Bilder von Zombies, die durch erkennbar deutsche Straßen und Vororte laufen, sind gelungen, prägen sich ein und gehen einem nahe, weil einem alles so bekannt vorkommt. Das Bild des Atomkraftwerks, aus dem Rauch aufsteigt, hinterlässt ebenfalls bleibenden Eindruck genauso wie der Panoramablick auf das endzeitliche Köln.

Die entsättigten Farben und die teils monochrome Farbgebung unterstützen den düsteren Eindruck der Szenerie. Die Stärke des Films liegt besonders im visuellen Bereich. Daher ist es wirklich, wirklich schade, dass „Extinction“ in anderen Bereichen so stark abfällt. Die Figuren bleiben erschreckend eindimensional und klischeehaft (der Scharfschütze aus dem Kosovo, der Bundeswehrsoldat, der nicht zielen kann, die Tochter des Agenten, der Kriminelle, der Eifersüchtige, der durchgeknallte Priester etc.), die Dialoge sind mittelmäßig bis schwach und die Nachsynchronisation hört sich grausam an - was die Aufmerksamkeit noch mal besonders auf das gesprochene Wort lenkt. Der Film wurde in Englisch gedreht und offensichtlich im Studio deutsch nachsynchronisiert. Das ist übel, gerade vor dem Hintergrund, dass man den Mut hatte, einen deutschen Zombiefilm in deutschen Städten mit deutschen Schauspielern zu drehen.

„Extinction“ hat im Mittelteil einige Längen und bei manchen Actionszenen fehlte es offensichtlich an Genauigkeit. Wenn zum Beispiel deutlich hörbar nur ein Schuss fällt, aber zwei Zombies gleichzeitig ungeschickt hinfallen, dann mutet das doch sehr merkwürdig an. Und wie leicht die Zombies mit Eisenketten gesicherte Tore eintreten (was ist da eigentlich mit den Ketten geschehen?), gibt auch zu denken. Dass erwachsene Menschen wie Cowboy spielende Kinder meinen, einen „Anführer“ wählen zu müssen, stößt auf und reißt einen irgendwie aus der Geschichte. Der Höhepunkt ist der Kriminelle, der 16 Tage in einer Zelle gesessen hat und sich ausschließlich von Toilettenwasser und Klopapier ernährt haben will. Sein Verhalten spiegelt in keinster Weise wider, was er durchgemacht haben muss. Er benimmt sich völlig ruhig, so als ob man ihn nur mal ein, zwei Stunden zu lange beim Arzt hat warten lassen. Der Film hinterlässt insgesamt einen zwiespältigen Eindruck. Der Satz „Da wäre mehr möglich gewesen!“ drängt sich unweigerlich auf. Einerseits visuell starke, realistisch wirkende Szenen einer Apokalypse in Deutschland, andererseits allenfalls nur durchschnittlich agierende Darsteller, schwache Dialoge, schlechtes Drehbuch sowie handwerkliche Fragezeichen. Das größte Fragezeichen bleibt aber ein Zitat aus der „Kölnischen Rundschau“, mit dem auf dem Cover geworben wird: „Szenarien wie bei ,Herr der Ringe‘.“ Na wenn das mal keine falschen Erwartungen weckt. Obwohl, Pfeil und Bogen, Wald, eine Burg und „Gefährten“ bieten beide Filme. Na dann...

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: kreischende Zombiefrau ohne Augen // rauchendes Atomkraftwerk // Zombies klettern eine Burg hinauf und werfen Schatten an die Wand // das Panorama des endzeitlichen Köln

Bewertung: (5,5/10)

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Dark Beach - Insel des Grauens




Dark Beach - Insel des Grauens (OT: Uninhabited, Australien 2010, Regie: Bill Bennett)

Kritik: Harry (Henry James) und Beth (Geraldine Hakewill) lassen sich mit einem Boot auf eine abgelegene Insel im Great Barrier Reef bringen. Dort wollen sie in aller Abgeschiedenheit einen zehntägigen Liebesurlaub verbringen. Zur Sicherheit haben sie zwar ein Satellitentelefon dabei, doch wenn sie nichts von sich hören lassen, kommt das Boot erst wieder nach eben diesen zehn Tagen vorbei, um sie abzuholen. Für den gemeinen Westeuropäer ist das kein idyllischer Ort und keine ideale Voraussetzung für einen entspannten Campingurlaub, trotz Sonne, Strand und Meer. Doch der Meeresbiologin macht es nichts aus, zwischen kleinen Haien, Seeschlangen, Stachelrochen und giftigen Steinfischen herumzuplantschen, und auch ihr Freund sagt überzeugt: „Ich habe vor gar nichts Angst!“ Diese Worte sollte man in einem Horrorfilm niemals aussprechen ebenso wenig wie den Satz: „Ich komme gleich wieder.“

So dauert es auch nicht lange, bis den zwei scheinbar angstbefreiten Protagonisten etwas mulmig wird. Fremde Fußspuren im Sand deuten darauf hin, dass sie nicht alleine sind. Zunächst denken sie an einen Streich irgendwelcher Kids, doch nachdem sie die Insel abgesucht haben, müssen sie feststellen, dass sich dort niemand anderes aufhält. Eines Morgens entdecken sie Aufnahmen auf ihrer Videokamera, die sie nicht gemacht haben. Ein Fremder hat Beth und Harry gefilmt, während sie schliefen. Aufgeschlitzte und auf Spieße drapierte Seegurken und der Fund einer Hütte im Inselwäldchen samt Grabstätte geben ihnen den Rest, Panik zieht auf. Doch es ist zu spät, sie befinden sich bereits im Sog von Ereignissen, die sie nicht mehr kontrollieren können.

Der stilsicheren Regie von Bill Bennett gelingt es wunderbar, vor allem in der ersten Hälfte des Films, eine Atmosphäre der Bedrohung zu schaffen, und das ganz ohne Blutvergießen. Ein 360-Grad-Kameraschwenk, der mich an den aus „Tanz der Teufel 2“ erinnert hat, macht gleich am Anfang klar, wo wir uns befinden: an einem Ort, von dem es kein Entrinnen gibt. Die Abgeschiedenheit des Ortes ist ein klassisches Rezept im Horrorfilm. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Hütte im Wald handelt, die von einem Meer von Bäumen umgeben ist, oder um eine einsame Insel mit Bäumen, die von Meer umgeben ist, wie in „Dark Beach“.

Das zweite klassische Problem, das jeder Horrorfilmregisseur heute zu lösen hat, ist das der (nicht möglichen) Kommunikation. Im Backwood-Horror ist es gerne das oft bemühte Funkloch, in „Dark Beach“ verschwindet, Überraschung, das Satellitentelefon auf spukhafte Weise...

Über eineinhalb Minuten dauert der erwähnte 360-Grad-Kameraschwenk, der im Grunde nichts anderes zeigt als Weite, Meer, Sand und Bäume. Und doch strahlt diese Plansequenz eine Bedrohlichkeit aus, die in bester australischer Manier an ähnlich düster-stimmungsvolle Natur-Aufnahmen aus „Picknick am Valentinstag“ (1975) und „Long Weekend“ (1978, Remake: 2008) erinnert. Was die Inszenierung betrifft, hat „Dark Beach“ in der Tat große Ähnlichkeit mit diesen Filmen. Es ist ein leiser, feiner Gruselfilm, der mit Geräuschen, guter Kameraarbeit und einer unheimlich dichten Atmosphäre subtilen Schauer erzeugt. Die Schauspielerleistungen sind eher durchschnittlich, und das Drehbuch hätte seinen zwei Hauptdarstellern an manchen Stellen besser etwas weniger einfältiges Verhalten vorschreiben sollen. Im letzten Teil von „Dark Beach“, als sich zunehmend klärt, wer oder was hinter dem Spuk steckt, fällt der Film meiner Meinung nach zwar etwas ab, aber den insgesamt guten Gesamteindruck kann das nicht trüben. Und das Ende von „Dark Beach“, an dem eines der oben genannten unsympathischen Viecher eine Hauptrolle spielt, ist zusammen mit den letzten Einstellungen wiederum sehr gelungen.

Negative Bewertungen des Films hängen vor allem mit einer falschen Erwartungshaltung zusammen. Es ist ein ruhiger Gruselfilm, der von der Atmosphäre lebt und von der Identifikation mit den Hauptdarstellern, in deren zunehmend ausweglose Situation man sich gut hineinversetzen kann. „Dark Beach“ nimmt nur in wenigen Momenten etwas an Fahrt auf, zum Beispiel als Fischer, die illegal Haie schießen, auf die Insel kommen und Harry und Beth zusätzlich das Leben schwer machen. Mir hat der Film gut gefallen, doch wem „Picknick am Valentinstag“ und „Long Weekend“ zu unspektakulär waren, der sollte auch von „Dark Beach“ besser Abstand nehmen.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: 360-Grad-Kameraschwenk // aufgeschlitzte Seegurken

Bewertung: (7/10)

Freitag, 13. September 2013

Dario Argento. Anatomie der Angst



Michael Flintrop, Marcus Stiglegger (Hrsg.): Dario Argento. Anatomie der Angst, Berlin 2013

Ganz still und heimlich ist in deutschen Landen etwas passiert, was niemand mehr für möglich gehalten hätte: nein, nicht die Abschaffung der staatlichen Zensur in Deutschland... Erstmals ist im deutschsprachigen Raum ein Buch von über 30 hervorragenden Filmwissenschaftlern und Filmkennern erschienen, das sich mit dem Werk von Dario Argento befasst, einem der einflussreichsten und ungewöhnlichsten Filmemacher Europas. Warum das so außergewöhnlich ist? Dr. Marcus Stiglegger bringt es auf den Punkt: Es sind die Vertreter der deutschsprachigen Filmwissenschaft, „die anders als im englischsprachigen Raum die Bedeutung von Genrevisionären wie Argento erfolgreich im wissenschaftlichen Diskurs marginalisieren... immer dieselben Beispiele als ,Klassiker‘ glorifizieren... und (somit) für die relative Resonanzlosigkeit der deutschsprachigen Filmforschung international“ verantwortlich sind. Aber es ist nicht nur die konservative deutsche Filmwissenschaft allein, sondern die unheilige Allianz dieser mit dem perfiden staatlichen Zensursystem, das es außergewöhnlichen Filmemachern, besonders aus dem Bereich des Horrorfilms, in Deutschland so schwer macht. Umso mehr muss man den Herausgebern Michael Flintrop und Marcus Stiglegger für dieses Buch danken, das ihnen schon seit Jahren am Herzen lag.

Marcus Stiglegger gibt in seinem einführenden Aufsatz eine kenntnisreiche Einführung in das Gesamtwerk Dario Argentos. Er präsentiert einen Überblick über die unterschiedlichen Schaffensphasen des italienischen Regisseurs, dessen Kino er als „performatives Kino der Sensation“ definiert. „Sensation, da es mit Bild und Ton direkt an die Sinne des Publikums appelliert, und performativ, da es sich über narrative Logik hinwegsetzt und Bild und Klang sich verselbstständigen lässt, um diesen Angriff auf die Sinne zu garantieren.“ Besser kann man das Wesen der meisten Filme von Argento nicht beschreiben. Stiglegger fasst in seinem Beitrag weiter die für Argento typischen Stilmittel (entfesselte Kamera, suggestive Montage, irritierende Klangwelt etc.) und Motive (unschuldig involvierter Protagonist, traumatisierte Täter, Tiere, Okkultismen etc.) zusammen. Was Stiglegger zum Teil nur andeutet und beschreibt, wird in vielen der folgenden thematischen Aufsätze weiter vertieft. Allein zwei Beiträge (Dominik Graf, Marc Fehse) beschäftigen sich ausführlich mit der Musik in den Filmen Argentos. Andere Autoren untersuchen den für viele Filmarbeiten Argentos obsessiven Einsatz von Gemälden und anderen Kunstobjekten (Joanna Barck) oder analysieren die Bedeutung des (unheimlichen) Raumes in Filmen wie „Suspiria“, „Profondo Rosso“, „Tenebre“ etc. (Johannes Binotto). Jörg von Brincken betrachtet „Dario Argentos Filme im Spiegel des Grand Guignol“ und stellt besonders die innige Verbindung zwischen dem Grand-Guignol-Theater und den Filmen Argentos bzw. dem Gore-Genre als Ganzes heraus. Heiko Nemitz fragt sich in seinem Beitrag, was Dario Argento und Brian de Palma verbindet und trennt. Einen ähnlichen Ansatz hat Ingo Knott, der Dario Argento und Mario Bava vergleicht. Dabei interessiert ihn besonders, ob Argento wirklich eine Art „Bava-Jünger“ ist. Eine Aussage, mit der Dario Argento immer wieder konfrontiert wird, die er aber ebenso häufig von sich weist. Etwas mehr als die Halfte des Buches besteht aus solchen und ähnlichen Themenaufsätzen. Hervorzuheben ist hier noch, besonders für die Münchner Fans des Films „Suspiria“, der Beitrag von Sebastian Selig: „Zur Escherstraße. Eine Reise zu den Drehorten von Suspiria (1977).“ Dieser Beitrag ist auch in der Ausgabe 95 der Zeitschrift „Splatting Image“ abgedruckt. Der zweite, etwas weniger umfangreiche Teil des Buches besteht aus in der Regel vierseitigen Filmbesprechungen. 23 Werke Argentos werden aus unterschiedlichen Blickwinkeln von verschiedenen Autoren besprochen. Das Buch „Dario Argento. Anatomie der Angst“ gibt einen Überblick über Filme und Facetten des italienischen Regisseurs von „Giallo“-Thrillern und Horrorfilmen und ist von enzyklopädischem Wert. Es wurde, um mit den Worten von Marcus Stiglegger zu schließen, „reich und liebevoll gestaltet, als wäre es das letzte seiner Art“. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Dienstag, 3. September 2013

Unheimliche Geschichten

Unheimliche Geschichten (Deutschland 1919, Regie: Richard Oswald)

Kritik: Der Episodenfilm „Unheimliche Geschichten“ aus dem Jahr 1919 kann als einer der ersten Gruselfilme der Filmgeschichte angesehen werden. Das war auch der Tenor zeitgenössischer Kritiker. Die „Licht-Bühne“ (Nr. 46, 15. November 1919) schrieb sechs Tage nach der Premiere: „Richard Oswald … hat nun den Film des Unheimlichen geschaffen.“ Im „Berliner Tageblatt“ vom 8. November 1919 war zu lesen: „Zum ersten Mal ist hier eine Reihe von Filmeinaktern geboten, die auf einen ganz bestimmten Ton, den des Unheimlichen, gestimmt sind.“

Richard Oswalds „Unheimliche Geschichten“ besteht aus fünf Episoden plus Rahmenhandlung. In einem Buchantiquariat steigen um Mitternacht der Tod, der Teufel und eine Dirne von den Wänden, wo sie eingerahmt als Bilder hingen, und erzählen sich gegenseitig Gruselgeschichten. Conrad Veidt (der Tod), Reinhold Schünzel (der Teufel) und Anita Berber (Dirne) spielen auch in diesen fünf Geschichten die Hauptrollen. Erzählungen bekannter Autoren wie u. a. Robert Louis Stevenson oder Edgar Allan Poe dienten als Vorlage. Besonders die Episode „Die schwarze Katze“ nach Edgar Allan Poe dürfte dem Freund des gepflegten Grusels bekannt vorkommen, wurde sie doch schon etliche Male verfilmt. Hier zeigt Reinhold Schünzel als betrunkener Ehemann, der seine Frau im Keller einmauert, eine herausrag (Foto: Reinhold Schünzel mit Anita Berber in „Die schwarze Katze“).
 
In „Die Erscheinung“ geht es um eine Frau, die in ein Hotel eincheckt und über Nacht verschwindet. „Die Hand“ handelt von der Hand eines Ermordeten, die den Täter noch aus dem Jenseits verfolgt. „Der Selbstmörder-Klub“ erzählt die Geschichte eines Polizeikommissars, der in einen Geheimbund gerät und plötzlich um sein Leben fürchten muss. In „Der Spuk“ vertreibt ein eifersüchtiger Ehemann seinen Nebenbuhler auf gruselige Art und Weise. Conrad Veidt, bekannt als Somnambuler Cesare aus „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920), kann in „Unheimliche Geschichten“ noch mehr Facetten seines Könnens zeigen als in dem Horrorfilmklassiker von Robert Wiene. Ein wahrhaft charismatischer Schauspieler, der hohlwangig und hochgewachsen, mit seiner Mimik, Ausstrahlung und einmaligen Leinwandpräsenz auch heute noch jeden Film bereichern würde. Mal hat er mich an Udo Kier erinnert, dann wieder an Julian Sands und andere Hollywoodgrößen. Skandalnudel und (Nackt-)Tänzerin Anita Berber komplettiert das wunderbar aufspielende Trio und kann in einer Episode („Die Hand“) sogar ihr tänzerisches Talent aufblitzen lassen. Es war ein großer Verlust, dass sie, durch ein ruheloses, „unmoralisches“ Leben und Drogenkonsum geschwächt, schon neun Jahre später (1928) mit nur 29 Jahren an Tuberkulose starb.

Das Zusammenspiel der drei erwähnten Schauspieler ist meisterhaft und trägt wesentlich zur Qualität der „Unheimlichen Geschichten“ bei. Daneben ist es die gekonnte Inszenierung durch Richard Oswald und der sparsame Einsatz der Texttafeln, die diesen frühen Gruselfilm auszeichnen. Besonders die wenigen Zwischentitel und die Kürze der Episoden (Gesamtdauer: 99 Minuten) macht „Unheimliche Geschichten“ auch für Stummfilm-Einsteiger interessant und leicht konsumierbar. Der Gruselfaktor hält sich für den heutigen Betrachter allerdings in Grenzen, hier kommt Richard Oswalds Episodenfilm nicht an die Klassiker von Robert Wiene („Das Cabinet des Dr. Caligari“) und Friedrich Wilhelm Murnau („Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“, 1922) heran. „Unheimliche Geschichten“ ist in der Reihe „Juwelen der Filmgeschichte“ erschienen, und das zu Recht. Seine filmhistorische Bedeutung liegt darin, dass er in Ansätzen ein frühes Beispiel für den expressionistischen Gruselfilm darstellt, der nach dem Ersten Weltkrieg, besonders mit „Das Cabinet des Dr. Caligari“, den Weltruf des deutschen Kinos begründete.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: tanzende Anita Berber // Teufel, Tod und Dirne

Bewertung: (7/10)

Sonntag, 1. September 2013

Der Rattengott


Der Rattengott (OT: Izbavitelj, Jugoslawien 1976, Regie: Krsto Papic)

Kritik: Im Jahr 1982 hatte ich den Ostblock-Horrorfilm „Der Rattengott“ zum ersten Mal gesehen, und zwar im ZDF im Rahmen der von mir so geliebten Reihe „Der phantastische Film“. Der Film, der nach einer Vorlage des russischen Schriftstellers Alexander Grin („Der Rattenfänger“) entstanden ist, hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen, einige Bilder haben sich meinem Gedächtnis nahezu eingebrannt. Zum Beispiel die Rattenmenschen mit ihren teils deutlich sichtbaren, teils angedeuteten Nagezähnen (die aussehen wie die Zähne Nosferatus in Murnaus gleichnamigem Stummfilmklassiker), ihren behaarten und spitzen Gesichtern. Oder das Fest der Rattenmenschen in der verlassenen Zentralbank, das von Fress-, Tanz- und Sexorgien geprägt ist. Es ist unbestritten, dass „Der Rattengott“ eine Parabel auf den Faschismus ist, „eine Metapher für die nationalsozialistische Unterwanderung einer wirtschaftlich geschwächten Gesellschaft“ (Marcus Stiglegger). Dennoch überrascht es, dass dieser Film anscheinend problemlos die Hürden der kommunistischen Zensur genommen hat. Denn jede Kritik am Faschismus war/ist ja gleichzeitig eine Kritik an jeder Diktatur mit Heilsversprechen und Exklusivitätsanspruch. Und Diktaturen mit Heilsversprechen und Exklusivitätsanspruch waren schließlich auch die zeitgenössischen kommunistischen Herrschaftssysteme. Wir haben es also einem „guten“ Tag der Zensoren zu verdanken, dass uns dieses Filmjuwel erhalten geblieben ist. Und wohl auch der Tatsache, dass der jugoslawische Kommunismus zu dieser Zeit nicht ganz so dogmatisch daherkam wie der sowjetische. Besonders im Bereich der Kunst.

Der Film spielt in der Tschechei 1925. Nach dem Ersten Weltkrieg befindet sich die Welt in einer Wirtschaftskrise. Anhand der Person Ivan Gajski (Ivica Vidovic) zeigt der Film die Auswirkungen dieser Krise. Jobs gibt es keine, und so verliert der erfolglose Schriftsteller, der ein wenig an den jungen Roman Polanski erinnert, seine Wohnung, weil er seit drei Monaten die Miete nicht mehr bezahlt hat. Auf dem Flohmarkt will er seine letzten drei Bücher verkaufen und lernt dabei Sonja kennen, die hübsche Tochter von Professor Boskovic, die er aber zunächst wieder aus den Augen verliert. Sein Nachtquartier nimmt sich Ivan in einer verlassenen und verriegelten Zentralbank, in die er einbricht. Dort wird er Zeuge einer opulenten Orgie der feinen und reichen Gesellschaft. So scheint es zumindest. Später stellt sich heraus, dass die Gestalten nur den Anschein erwecken, Menschen zu sein. In Wirklichkeit sind es Ratten, die die Fähigkeit haben, sich in Menschen zu verwandeln und die ihnen hörigen Menschen in Mischwesen. Erklärtes Ziel ist es, geführt von einem Rattengott, die Weltherrschaft zu erlangen. Ivan nimmt Kontakt mit Sonja auf und erfährt so, dass ihr Vater, Professor Boskovic, das Geheimnis der Ratten entdeckt hat und dabei ist, ein Anti-Ratten-Spray zu entwickeln. Zusammen mit Ivan will er den Ratten nun Einhalt gebieten. Doch sowohl Stadtverwaltung als auch Gesellschaft sind schon von Rattenmenschen unterwandert. Wem kann man noch vertrauen?

Der spannende Film hat eine klare Symbolik und Sprache. In der unter anderem aus Vogelperspektive gefilmten Orgie der Rattenmenschen sieht man die Anordnung der Festtische, die grafisch die Hälfte eines Hakenkreuzes darstellen (Foto).

Der Rattengott wird als charismatischer Führer gezeigt, und die Hoffnung von Professor Boskovic und Ivan beruht darauf, dass der „faschistische“ Spuk vorbei sein wird, wenn es gelingt, den Rattengott zu töten. Das Thema der heimlichen Unterwanderung der Gesellschaft durch „Andere“ erinnert an viele amerikanische B-Movies aus den 50er-Jahren. Unter anderem fallen sofort Parallelen zu Don Siegels „Die Dämonischen“ aus dem Jahr 1956 auf: zum Beispiel, als die Masse der Rattenmenschen den noch nicht transformierten Ivan Gajski entdeckt und hinter ihm herstürzt. Auch an John Carpenters „Sie leben!“ (1989) wird man erinnert, als Ivan das Rattengift auf den Straßen verteilt und durch die „enttarnten“ Rattenmenschen dann sichtbar wird, wer Mensch ist und wer nicht. Im Grunde hat der Film Ähnlichkeit mit all den fantastischen Kalter-Krieg-Filmen, die in ihren Subtexten nichts anderes verhandeln als die Angst vor heimlicher (kommunistischer) Unterwanderung und Gleichmacherei. „Der Rattengott“ gehört zum sogenannten Transformationshorror (Gestaltwandlerfilme). Was ihn filmgeschichtlich besonders interessant macht, ist die hier andere „Stoßrichtung“ der Verwandlung. Nicht ein Mensch verwandelt sich in eine Bestie, wie zum Beispiel in allen Werwolf-Varianten oder in den „Katzenmenschen“-Filmen etc., sondern die Bestie, die Ratte, verwandelt sich in einen Menschen. Auch in den eher naturalistischeren Szenen weiß der Film Atmosphäre zu kreieren. Die Ratten werden nicht als weiße Kuscheltiere gezeigt, sondern so, wie sie sind und den Menschen seit Jahrhunderten schon immer Angst eingejagt haben: als dicke, graubraune Nager mit schmalen, bedrohlich wirkenden Augen. Es sind dieser Art atmosphärische Bilder und das glaubwürdige Setting (Tschechei, 20er-Jahre), die den Film zu einem besonderen Filmerlebnis machen. Der Film ist in einem wie ich finde wunderbar gestalteten, auf 500 Stück limitierten Mediabook als DVD erschienen. Es enthält ein Booklet mit einem kurzen Aufsatz von Filmkenner Marcus Stiglegger mit dem Titel „Transformationshorror als politische Metapher in Der Rattengott“.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Gesichter der Rattenmenschen // Fest der Rattenmenschen

Bewertung: (8/10)

Sonntag, 25. August 2013

Oblivion


Oblivion (OT: Oblivion, USA 2013, Regie: Joseph Kosinksi)


Handlung: Im Jahr 2077 lebt die Menschheit hoch über den Wolken, weil die Erde 60 Jahre zuvor in einem Krieg mit außerirdischen „Plünderern“ völlig zerstört und unbewohnbar wurde. Nur durch den Einsatz von Atombomben konnte die Menschheit den Krieg gewinnen. Sicherheitstechniker Jack Harper (Tom Cruise) und eine Kollegin arbeiten auf der Erde, um Anlagen zum Abbau lebenswichtiger Ressourcen wie Wasserstoff zu überwachen. Technische Probleme sowie einige Reste der „Plünderer“, die noch auf der Erde vegetieren, machen ihnen das Leben nicht gerade leicht. Als Jack Harper eines Tages eine Überlebende aus einem abgestürzten Raumschiff rettet, setzt das eine Kette von Ereignissen in Gang, die alles infrage stellen, was Jack je zu wissen glaubte.

Kritik: „Oblivion“ kombiniert Motive aus anderen Science-Fiction-Filmen („Moon“, „Independence Day“, „2001“) mit eigenen Ansätzen und Ideen nicht ungeschickt zu einer originellen Geschichte, die Themen wie Individualität, Liebe, Opferbereitschaft, Menschsein und Verantwortung gegenüber der Umwelt verhandelt. „Wir haben gewonnen!“, sagt die von Tom Cruise gespielte Figur und meint damit den Krieg gegen die außerirdischen „Plünderer“, die unter anderem den Mond zerstört und damit eine Reihe von Naturkatastrophen ausgelöst haben. Zu welchem Preis dieser Sieg erkauft wurde, dem flächendeckenden Einsatz von Atombomben, der die Erde in eine postapokalyptische Landschaft verwandelt hat, zeigt der Film in zum Teil beeindruckenden Bildern. Aber es gibt noch Hoffnung. Neben verstrahlten, unbewohnbaren Zonen gibt es wieder grüne Gegenden, in denen sich das Leben erholt. Doch die Menschen haben die Erde aufgegeben. So scheint es. Allein durch diese Umweltthematik atmet „Oblivion“ die Atmosphäre einiger guter alter Science-Fiction-Klassiker aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Geschichte ist spannend erzählt und dramaturgisch gut aufgebaut. Erst nach einigen überraschenden Wendungen und langsam zurückkehrenden Erinnerungen der Hauptfigur, die in Rückblenden präsentiert werden, hebt sich langsam der Schleier, der den wahren Gang der Ereignisse verhüllte. Das Thema Erinnerungen und Vergessen (Oblivion = Vergessen, Vergessenheit) zieht sich leitmotivisch durch den ganzen Film. Schon am Anfang erfahren wir, dass gelöschte Erinnerungen Voraussetzung dafür sind, auf der Erde überhaupt arbeiten zu dürfen. Vor dem Hintergrund einer rührigen Liebesgeschichte und der Diskussion des Doppelgängermotivs stellt der Film darüber hinaus die Frage, was den Menschen als Individuum überhaupt auszeichnet. Und die Antwort, die „Oblivion“ gibt, ist spätestens nach dem mit viel Pathos präsentierten Finale eindeutig. Von den Schauspielern hat mir besonders Andrea Riseborough in der Rolle der Kollegin von Jack Harper gefallen. Ihre Frisur und ihr Make-up korrespondieren wunderbar mit ihrem kalten, fast roboterhaften Spiel. „Oblivion“ ist alles in allem ein sehr guter Science-Fiction-Film mit visuell starken Momenten, wenn auch die hochauflösende Digitalbildoptik nicht immer mit dem Postapokalypsethema harmoniert. Trotz einiger Action- und Ballerszenen erzählt Regisseur Kosinski die Geschichte wohltuend unaufgeregt. Zukunftsfilme dieser Art würde man gerne öfter sehen. Fans sollten sich dieses solide inszenierte Werk nicht entgehen lassen.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: „Plünderer“ // Swimming-Pool-Szene // Raumstation Tet // Luftkampf gegen die Drohnen

Bewertung: (8/10)

Mittwoch, 21. August 2013

Schwarze Messe der Dämonen


Schwarze Messe der Dämonen (OT: L'Antichristo; AT: Der Antichrist, Italien 1974, Regie: Alberto de Martino)

Handlung: Ippolita, die Tochter des Aristokraten Massimo Oderisi, sitzt seit ihrem 12. Lebensjahr im Rollstuhl. Ihr Vater hatte damals einen Autounfall verschuldet, bei dem auch ihre Mutter starb. Jahre später, Ippolita ist nun eine junge Frau, hat ihr Vater eine neue Geliebte, die er heiraten will. Voller Neid schaut Ippolita auf die neue Beziehung ihres Vaters, während sie selbst unter ihrer Behinderung und der Einsamkeit leidet. Nach einer von einem Psychiater durchgeführten Hypnosesitzung entwickelt Ippolita Charakterzüge einer vom Teufel Besessenen und fängt an, ihre Umgebung zu terrorisieren...

Kritik: Der Erfolg von William Friedkins „Der Exorzist“ 1973 hat eine wahre Welle an Nachfolgern auf den Plan gerufen. Einer von ihnen ist „Schwarze Messe der Dämonen“ (AT: „Der Antichrist“) aus dem Jahr 1974. Die Italiener waren gerade in den 70er-Jahren wahre Meister darin, Rip-offs von erfolgreichen Blockbustern zu drehen. Und diese Filme waren oft gar nicht so schlecht, zeigten eine ganz eigene Atmosphäre und einen typisch italienischen Stil. „Schwarze Messe der Dämonen“ ist ein Beispiel für so einen gelungenen Film. Er geht in vielen Bereichen weiter als „Der Exorzist“ und dringt tiefer in die Problematik und Ursachen der Besessenheit ein. Der Teufel sucht sich seine Opfer nicht willkürlich aus, sondern erwählt die Personen, die ihm am anfälligsten erscheinen. Von sexueller Begierde erfüllt, sehnt sich Ippolita nach einem Mann und einer Partnerschaft. Sie versucht alles, um ihre Lähmung zu überwinden. Sie hofft auf Wunderheilung durch eine Madonnen-Statue und lässt sich von einem Psychiater hypnotisieren. Aber weder Religion noch Wissenschaft können sie von ihrem Leid erlösen. Und in diesem schwachen Moment, erfüllt von Enttäuschung, unerfüllter Begierde und Hass auf den Vater, schlägt der Teufel zu und holt sich sein Opfer. So gesehen steckt in „Schwarze Messe der Dämonen“ mehr Gesellschaftskritik als in „Der Exorzist“, und die Besessenheit ist kein quasi zufälliges Ereignis, sondern erscheint folgerichtig.

Eindringlich zeigt der Film die Entwicklung der braven Ippolita zur vom Teufel besessenen Furie, wobei Carla Gravina, die die Ippolita spielt, schauspielerisch eine tolle Leistung abliefert. Setting, Kostüme, Masken und die wundervoll atmosphärisch fotografierten Bilder tragen ihren Teil zum gelungenen Gesamteindruck bei. Wunderbar auch, dass es hier noch etwas abgefahrener zugeht als zum Beispiel in „Der Exorzist“: Mal schwebt die besessene Ippolita aus dem Fenster heraus und hinein, dann trennt sich ein Arm von ihrem Körper, schwebt durchs Zimmer und hat nichts Gutes im Sinn. Das alles ist gekonnt inszeniert und wirkt keinesfalls unfreiwillig komisch. Beeindruckend sind auch die Bilder eines Teufelspakts aus dem Mittelalter, ein Ritus, in dem Ippolitas seelenverwandte Vorgängerin, eine „Hexe“, sich dem Teufel anbietet. Leitmotivisch zieht sich darüber hinaus das Motiv einer geköpften Kröte durch den ganzen Film, und wir erfahren, dass nicht nur Franzosen an dem Froschgetier ihren Gefallen finden. Oder musste hier jemand ganz unfreiwillig eine Kröte schlucken? Wie dem auch sei, der Film gefällt durch seinen Ideenreichtum (er ist keineswegs ein Plagiat von „Der Exorzist“), seine Atmosphäre, eine nachvollziehbare und spannend erzählte Geschichte und engagierte Darsteller. „Schwarze Messe der Dämonen“ ist ein absoluter Geheimtipp für Freunde des Exorzistenfilms.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: schwebende Ippolita // schwebender Arm // geköpfte Kröte // Selbstmord eines Besessenen // satanische Messe im Mittelalter

Bewertung: (7,5/10)

Montag, 12. August 2013

Insidious



Insidious (OT: Insidious, USA 2010, Regie: James Wan)

Handlung: Der Lehrer Josh Lambert (Patrick Wilson), seine Frau Renai (Rose Byrne) und deren drei Kinder ziehen in ein neues Haus und erfüllen sich so einen lang gehegten Wunschtraum. Eines Tages fällt ihr Sohn Dalton, nach einem Unfall auf dem Dachboden, in ein Koma, das die Ärzte vor ein Rätsel stellt, denn sämtliche Untersuchungen lassen keinen medizinischen Grund für das Koma erkennen. In dem Haus geschehen nun merkwürdige Dinge, es scheint von Dämonen heimgesucht zu werden. Mit einem erneuten Umzug wollen die Lamberts ihren Sohn retten und den bedrohlichen Ereignissen entfliehen. Doch der Terror aus dem Jenseits geht weiter...

Kritik: James Wan, dessen thematisch ähnlich gelagerter Film „The Conjuring – Die Heimsuchung“ gerade im Kino läuft, hat sich 2010 mit „Insidious“ fast schon ein Denkmal gesetzt und gleichzeitig gezeigt, dass er nicht nur das Körperhorror-Genre („Saw“) beherrscht. „Insidious“ bekam vornehmlich positive Kritiken, und das zu Recht. Während kaum eines anderen Geisterfilms habe ich mich bereits in den ersten dreißig bis vierzig Minuten so oft gegruselt und erschreckt wie bei „Insidious“. Dabei bedient sich Wan einer Rezeptur, die nicht gerade neu ist: Eine durchgebrannte Glühbirne, Stimmen aus dem Babyphone, Klopfen an der Tür und unheimliches Kindergekicher sind nur Vorboten der folgenden unheimlichen Ereignisse in dem Haus und rund um die Familie Lamberts. Schockeffekte wechseln sich in der souveränen Inszenierung ab mit unheimlich atmosphärischen Sequenzen, in denen die Kamera zum Beispiel nachts durchs Haus wandert, in dem alle schlafen, quasi auf der Suche nach dem Unheimlichen. Nach und nach dringt das Unheimliche immer tiefer ein in den intimsten Bereich der Familie, die eigenen vier Wände. Die Situation wird zunehmend bedrohlicher. Wenn Daltons kleiner Bruder seinen Eltern sagt, dass er Angst vor Dalton habe, weil dieser nachts umherschleiche, dann geht diese gruselige Beobachtung nicht nur den Eltern unter die Haut, sondern auch dem Zuschauer. In ihrer Ausweglosigkeit wendet sich die Familie an ein Medium und eine Art „Ghostbuster“. Ab dem Zeitpunkt kommt es im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Richtungs- und damit auch Stilwechsel. Der Film bietet in der ersten Hälfte mal subtilen Schauer, mal erschreckenden Horror und erzählt auf wunderbar gruselige Weise den Versuch des Eindringens böser, dämonischer Geister ins Diesseits, wobei noch stark mit Andeutungen und der Erwartungshaltung des Zuschauers gespielt wird. Durch Informationen zweier Frauen, des Mediums und der Oma des Jungen, klärt sich die Geschichte zunehmend auf. Von Astralreisen ist nun die Rede und es offenbart sich eine Familiengeschichte, eine Geschichte besonderer Fähigkeiten, die Vater und Sohn gemein haben. Und ganz nebenbei klärt sich, warum der Vater eine starke Abneigung dagegen hat, sich fotografieren zu lassen. Er ist nun aufgerufen, ins Jenseits, das Ewigreich zu „reisen“, um seinen Sohn zu retten. „Insidious“ wird in der zweiten Phase des Films zu einer visuellen Geisterbahnfahrt, die Geister und Dämonen werden in längeren Einstellungen präsentiert, die Kamera zeigt das Geisterreich. Die Schwerpunkte der Inszenierung verlagern sich und es findet eine Entgrenzung des Handlungsortes statt. Die Handlung findet nun auch „draußen“ statt, jenseits der Mauern des Hauses. Einige Kritiker werfen dem Film diese Wendung vor, sprechen von Stilbruch, was zwar stimmt, aber sich überhaupt nicht nachteilig auswirkt. Im Gegenteil: Der Film bleibt bis zum überraschenden Ende spannend und gewinnt durch den Perspektiv- und Stilwechsel nur noch an Reiz. Die Kohärenz der Geschichte leidet darunter in keinster Weise. Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte ihn sich unbedingt anschauen. Eine spannende Story, glaubwürdige Schauspieler und eine gekonnte Inszenierung machen „Insidious“ zu einem Horrorfilmerlebnis der besonderen Art. Für mich ist „Insidious“ von den vielen guten Geisterfilmen der letzten Jahre einer der besten. Was vielen schwächeren Vertretern des Genres nicht gelingt, zelebriert „Insidious“ bis zur Perfektion: Er ist wirklich gruselig!

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: roter Dämon // Dämonen-Oma // Hand auf Bettlaken // Medium mit Maske // Gestalt im Zimmer // Kind im Schrank

Bewertung: (9/10)

Dienstag, 6. August 2013

Bait - Haie im Supermarkt


Bait – Haie im Supermarkt (OT: Bait, Australien/Singapur 2012, Regie: Kimble Rendall)

Handlung: Vor einem Jahr verlor der Rettungsschwimmer Josh seinen besten Freund durch einen Haiangriff und löste in tiefer Trauer die Verlobung mit dessen Schwester Tina, weil er sich eine Mitschuld an dem Unglück gab. Nun arbeitet er in der kleinen australischen Küstenstadt in einem Supermarkt. Genau in dem Moment, als er dort seine Ex Tina wiedertrifft und zwei Gangster den Supermarkt überfallen, kommt eine riesige Tsunamiwelle auf den Küstenort zu. Die Riesenwelle überschwemmt den Supermarkt und das dazugehörige Parkhaus und spült zwei hungrige Weiße Haie in das Gebäude...

Kritik: Der deutsche Zusatztitel „Haie im Supermarkt“ klingt gewaltig nach billig gemachten Trash-Granaten à la „Sharktopus“, „Sand Sharks“, „Two Headed Shark Attack“, „Jurassic Shark“ und Co., die zwar auch zum Teil recht unterhaltsam und lustig waren, aber denen es nie wirklich gelang, eine Atmosphäre der Bedrohung aufkommen zu lassen. Hätte ich nicht zufällig den Vorschau-Trailer von „Bait“ gesehen, hätte ich diesen Film wohl links liegen gelassen. Zu viele schlecht gemachte Haischocker gab es in der letzten Zeit. Doch schon die im Trailer gezeigten Ausschnitte gaben Anlass zur Hoffnung, mal wieder einen Haifilm der besseren Art zu sehen. Keine billig gemachten Haimodelle und kein letztendlich nur albern wirkender selbstreferenzieller Humor. Der Film hat meine Hoffnungen nicht enttäuscht. Schon die Ankündigung der Tsunamiwelle wurde gekonnt in Szene gesetzt. Ein sich merkwürdig verhaltender Hund und ohne Rücksicht auf Verluste landeinwärts fliegende Möwen, Krähen und Elstern kündigen das drohende Unheil an, das dann auch nicht lange auf sich warten lässt. Eine riesige Welle überschwemmt den Küstenort und man wähnt sich in einem Katastrophenfilm der besseren Sorte. Das jedoch nur kurz. Schon bald ist der Zuschauer mit einer illustren Gruppe von Menschen im Supermarkt eingeschlossen, und wir befinden uns mitten im Tierhorrorfilm. Die Lage scheint ausweglos, das Wasser droht zu steigen und neben durch die Katastrophe entstellten Leichen schwimmen im Wasser zwei Weiße Haie. Einer im Supermarkt, der andere im Parkhaus. Womit wir schon bei einer Stärke des Films wären. Das Hin-und-her-Schneiden zwischen diesen zwei Orten, an keinem möchte man gerne selber sein, erhöht die Spannung noch mal immens. Neben der Bedrohung durch die Haie gibt es noch zusätzliche Spannungselemente: Erderschütterungen, elektrische Kabel, die dem Wasser bedrohlich nahe kommen, und ein durchdrehender Krimineller. Das alles macht die Lage nicht leichter.

Die große Stärke des Films, und darin unterscheidet er sich von den meistens Haihorrorfilmen, ist das Konzept des geschlossenen Raumes, dessen er sich bedient. „Bait“ spielt gleich auf mehreren Ebenen mit klaustrophobischen Ängsten, was für den Zombiefilm typisch ist, für Haihorrorfilme aber eher neu. Wir haben es hier im Grunde mit drei geschlossenen Räumen zu tun, und es besteht keinerlei Hoffnung für die Protagonisten, dass sich die Haie irgendwann entfernen, aufgeben und sich anderes Futter suchen, denn sie sind ja mit den Opfern eingeschlossen. Neben der Supermarkthalle, dem Haupthandlungsort, gibt es noch die Tiefgarage, und in der Tiefgarage befindet sich unter anderem ein Auto, in dem ein Pärchen sitzt. Das Auto steht fast bis zum Dach im Wasser und um es herum schwimmt der Hai, der sich seine Mahlzeit schon ausgeguckt hat. Die Kameraeinstellungen rund um diese Szenerie gehören für mich zu den stärksten des Films.

Guten Schauspielern, gelungenen Kameraeinstellungen und einigen Schockmomenten und überraschenden Wendungen stehen nur wenige schwächere Passagen gegenüber. Die finalen Lösungen haben mir nicht ganz so gut gefallen. Und auch, dass aus dramaturgischen Gründen Haie, sobald sie sich dem Opfer nähern, brüllende oder auf jeden Fall bedrohlich wirkende Geräusche machen wie manches Landraubtier, kennt man zwar aus anderen Filmen, ist aber immer wieder gewöhnungsbedürftig. Kommt ja auch besser, als wenn nur stumm und leise ein weiterer Mensch als Fischfutter dient. Insgesamt ist „Bait – Haie im Supermarkt“ ein überdurchschnittlicher Tierhorrorfilm, unter anderem weil man sich mit den Schauspielern zum Teil sehr gut identifizieren kann und sich der Film ernst nimmt und kein weiterer „Scream“ für Haihorrorfilme sein will. Seit „Der Weiße Hai“, „Deep Blue Sea“, „Open Water“ und „The Reef“ hat mir kein weiterer Haifilm so gut gefallen wie „Bait“, der spannend ist und tolle visuelle Effekte zu bieten hat. Ich habe ihn in der 2D-Version geschaut, könnte mir aber anhand einiger besonders gelungener Szenen auch vorstellen, dass er in 3D noch eine Schüppe drauflegt.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Leichen im Wasser // Hai umkreist Auto // Hai nähert sich dem „Käfigtaucher“ // Hai frisst Mann bis zur Hüfte

Bewertung: (7/10)

Mittwoch, 31. Juli 2013

Die hässlichen Schwäne


Die hässlichen Schwäne (OT: Gadkie Lebedi, Russland/Frankreich 2006, Regie: Konstantin Lopuschanskij, OmU)

Handlung: Victor Banev ist ein in den USA lebender russischer Schriftsteller. Als Mitglied einer UN-Kommission begibt er sich auf die Reise nach Taschlinsk, einer isolierten Stadt, die extremen Klimaveränderungen ausgesetzt ist und in der „Mutanten“ leben, die sogenannten Nassen (Mokretsy). Dort sucht er seine Tochter. Er findet sie in einem Internat für hochbegabte Kinder, das von den Nassen geleitet wird. Er möchte sie mit sich nehmen und aus der Stadt bringen, denn alles deutet daraufhin, dass die Regierung die Stadt der Nassen auslöschen will. Doch sie will nicht mit ihm kommen...

Kritik: Ebenso wie Andrej Tarkovskijs „Stalker“ (1979) ist auch der Film „Die hässlichen Schwäne“ eine Verfilmung eines Romans der Brüder Strugazkij. Die Brüder Arkadij und Boris Strugazkij sind die bekanntesten Vertreter der sowjetischen Phantastik. In ihren nicht selten mit Märchenmotiven gespickten Science-Fiction-Romanen (in der Sowjetunion nannte man die Science-Fiction „wissenschaftliche Phantastik“, naucnaja fantastika) geht es neben Bürokratie- und Alltagskritik nicht selten darum, wie Menschen in Anbetracht unvorhergesehener oder rätselhafter Ereignisse und Konstellationen reagieren. Das war in „Stalker“ so, der auf dem Roman „Picknick am Wegesrand“ beruht, und das ist auch in „Die hässlichen Schwäne“ so.

Regisseur Konstantin Lopuschanskij war einst Regieassistent bei dem großen Filmemacher Andrej Tarkovskij, und das merkt man dem Film in vielen Einstellungen an. Lopuschanskij lässt sich Zeit beim Erzählen seines Themas, er lässt seine Darsteller in aller Ausführlichkeit philosophische Dialoge führen und er zeigt in langen Einstellungen poetische Bilder einer scheinbar untergehenden Welt. Diese Welt, die Stadt Taschlinsk, ist durch Klimaanomalien in Infrarotlicht getaucht, es regnet dort ständig, und wenn man in einem neu eröffneten Restaurant speisen will, sitzt man bis zu den Knien im Wasser. 

Lopuschanskij zeigt uns diese Welt in faszinierenden Aufnahmen. Der Regen ist nicht nur auf der visuellen Ebene dauerpräsent, sondern auch als fast permanentes Hintergrundgeräusch. Die außerirdisch anmutenden Nassen leben hier, sie sind entstellt und tragen Umhänge. Und sie unterrichten die Kinder der Menschen, bringen ihnen das Denken bei, das zu Erkenntnissen führt, die die Kinder von ihren Eltern entfremden. Und auch vom Zuschauer. Denn als Victor Banev vor einer Schulklasse steht und mit den Kindern eine Diskussion über das Ende der Menschheit führt, argumentieren die Kinder in einer fast robotermäßigen Sachlichkeit, sodass sie kalt, emotionslos und bedrohlich wirken, bedrohlich wie die blonden „außerirdischen“ Kinder in „Das Dorf der Verdammten“ (1960). Haben die Kinder recht, steht die Menschheit vor dem Untergang, oder stellt sich der Zuschauer auf die Seite von Victor Banev, der die Menschen verteidigt, von Liebe und Emotionen spricht?

Der Film macht es dem Zuschauer nicht leicht, sich auf eine Seite zu schlagen, aber einfache Antworten haben auch die Brüder Strugazkij in ihren Werken nie gegeben. Fest steht, dass sich die Regierung und das Militär von den Nassen zunehmend provoziert fühlen, Unsicherheit schlägt um in stereotypen Aktionismus. „Wer die Kinder lenkt, der lenkt die Zukunft, dazu brauchen sie die Kinder“, erkennt in einem frühen Stadium des Films ein Wissenschaftler. „Klimaanomalien müssen normalisiert werden“, sagen die gemäßigteren Vertreter, das Militär spricht von den Nassen zunehmend als „Feinde, die uns den Krieg erklärt haben“. Eine Invasion stehe bevor, man entschließt sich daher zu einem C-Waffen-Krieg. Den Nassen wird die Evakuierung verweigert, da diese offiziell als kranke Menschen gelten. Ob dem so ist und woher sie eigentlich kamen, lässt der Film offen. Victor Banev will seine Tochter unbedingt noch vor dem Angriff aus der Stadt bringen, doch diese weigert sich ebenso wie die anderen Kinder, die nicht mehr in die alte, sterbende, korrupte Welt mit ihrer falschen Moral zurückkehren wollen. Letztendlich kommt es doch noch zu einer Rettung, einer Rettung, die sich aber für die geistige Entwicklung der Kinder als fatal erweist.

„Die hässlichen Schwäne“ ist ein poetischer, ein philosophischer Film, der spannend inszeniert ist und die Schwächen von Menschen und deren immer wieder gleiche, stereotype Reaktionen auf „Anomalien“ aufs Korn nimmt. Er stellt viele Fragen, unter anderem die nach dem geistigen und spirituellen Potenzial des Menschen. Science-Fiction-Fans sollten sich den Film nicht entgehen lassen. Exzellente Schauspieler, tolle Dialoge, beeindruckende Kulissen und famose Bilder machen „Die hässlichen Schwäne“ zu einem einzigartigen Filmerlebnis der ruhigeren Sorte. Wer die Art der Inszenierung von Tarkovskijs Filmen „Stalker“ und „Solaris“ (1972) mochte, wird auch diesen Film mögen. „Die hässlichen Schwäne“ ist mit russischem Originalton, deutsche Untertitel lassen sich einblenden. Davon sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen. OmU zu schauen ist sowieso oft besser, als sich schlechte Synchros anzutun.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: überschwemmtes Restaurant // die Nassen // die in Infrarotlicht getauchte Stadt Taschlinsk // schwebendes Kind

Bewertung: (9/10)

Sonntag, 28. Juli 2013

Das Labor des Grauens



Das Labor des Grauens (OT: The Mutations; AT: The Freakmaker, Großbritannien 1974, Regie: Jack Cardiff)

Handlung: Professor Nolter (Donald Pleasence) ist ein Genforscher, der versucht, eine neue Art Mensch zu schaffen, indem er Pflanzen- und Menschen-DNA kreuzt. Dazu braucht er natürlich immer wieder mal menschliches Frischfleisch, das ihm sein verunstalteter Assistent Lynch besorgt. Lynch leitet gleichzeitig eine Freakshow, in der er unter anderem die Kreaturen der fehlgeschlagenen Versuche des Professors ausstellt. Als Lynch eines Tages die Studentin Bridget entführt und dem Professor bringt, machen sich deren Freunde auf die Suche nach ihr...

Kritik: „Das Labor des Grauens“ rekurriert an vielen Stellen auf Tod „Dracula“ Brownings Film „Freaks“ aus dem Jahr 1932. Und wie in Tod Brownings Film, spielen auch in „Das Labor des Grauens“ tatsächliche Mitglieder einer Sideshow mit. Außerdem gibt es auch viele Anspielungen auf „Frankenstein“-Filme und sogar auf „Augen ohne Gesicht“ („Les Yeux Sans Visage“, 1960) von Georges Franju (Hundeszenen). Die Klasse der Vorlagen und zitierten Filme erreicht „Das Labor des Grauens“ zwar nicht, es handelt sich eindeutig um ein B-Movie, und auf der Skala von trashig bis kultverdächtig ist der Film doch eher in der Trashgegend angesiedelt. Dennoch gelingt es dem Film einigermaßen gut, einen Spannungsbogen aufzubauen. Mit Donald Pleasence als Mad Scientist hat ein Schauspieler die Hauptrolle, der einige Jahre später durch sein Auftreten in „Halloween“ (1978) und den Folgefilmen eindeutig zu einer Ikone im Horrorgenre wurde. Die Rolle von Pleasence sollte ursprünglich Vincent Price spielen, und das sagt schon einiges über den Charakter des Films aus. Denn er hätte auch einer dieser typischen Price-Filme werden können. Doch es gab angeblich Probleme mit dem Agenten von Price, sodass aus der Besetzung nichts wurde.

Der Film beginnt mit einer Vorlesung über Genetik und die Möglichkeiten des Klonens. Einige Zeitrafferaufnahmen von blühenden Pflanzen und wachsenden Pilzen sollen die „Wissenschaftlichkeit“ der Handlung untermauern. Insofern ist „Das Labor des Grauens“ nicht nur ein Horror-, sondern auch ein Science-Fiction-Film. Und die Aussage des Professors, dass man in einigen Jahren aus einer einzigen Zelle eines toten Dinosauriers einen lebenden werde klonen können, wirkte damals sicher noch fantastischer als heute. Diese Wissenschaftlichkeit ist dann der Ausgangspunkt einer zwar hanebüchenen, aber relativ spannend erzählten Geschichte mit einigen guten Darstellern, besonders aus der Reihe der „Freaks“.

Doch der Film hat noch mehr zu bieten. Er zeigt uns einige authentische Bilder des Englands Mitte der Siebziger-Jahre und auch, wie damals oft Filme gemacht wurden. Nämlich bunt. Man ließ es farblich richtig krachen. So wirkt das Labor des Professors mit seinen exotischen Pflanzen und den knalligen Farben wie ein bildgewordener LSD-Trip. Der komplette Gegensatz zu den düsteren SW-Filmen der Universal-Klassiker. Neben diesem nostalgischen Charme bietet der Film auch einige gelungene Kameraeinstellungen, zum Beispiel die subjektive Kamera aus der Sicht eines im Labor erwachenden Opfers oder ein bisweilen gelungenes Schattenspiel (Regisseur Jack Cardiff war eigentlich Kameramann und als solcher auch bekannter). Als Liebhaber älterer Filme bin ich froh, diese „Perle“ in der Wühlkiste meines Elektromarktes zufällig gefunden zu haben. Ich kannte den Film bisher nicht, irgendwie ist er völlig an mir vorbeigegangen. Wer glaubt, sich an den Anspielungen, einigen trashigen Szenen und der Ästhetik ergötzen zu können, sollte sich diesen Film durchaus mal anschauen. Ohne historische Perspektive mag er dem heutigen jüngeren Publikum eher albern und an vielen Stellen unfreiwillig komisch erscheinen. Was er manchmal ja auch ist.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Kaninchen wird an Pflanze verfüttert // Pflanzenmonster // Freakshow // Pflanzenmonster verspeist Mensch // nacktes Opfer im Labor

Bewertung: (6/10)

Dienstag, 23. Juli 2013

Die fantastische Welt von Oz



Die fantastische Welt von Oz (OT: Oz the Great and Powerful, USA 2013, Regie: Sam Raimi)

Handlung: „Die fantastische Welt von Oz“ ist konzipiert als Prequel zu den Ereignissen, die in dem Film-Klassiker von 1939 mit Judy Garland („Der Zauberer von Oz“, Regie: Victor Fleming) stattfinden. Oscar ist ein nicht sehr erfolgreicher Zirkusmagier und Scharlatan im Kansas des Jahres 1905. Als er es wieder einmal zu bunt getrieben hat, muss er in einem Ballon flüchten. Er gerät in eine Windhose, die ihn in das zauberhafte Land Oz verschlägt. Dort halten ihn alle für den großen Zauberer, der in einer Prophezeiung erwähnt wird und der die Bewohner des Landes vom Joch der bösen Hexe befreien soll. Nach anfänglichem Zögern spielt Oscar das Spiel mit und lässt die Bewohner in dem Glauben, tatsächlich der große Magier zu sein. Er macht sich mit zwei Gefährten auf den Weg, die böse Hexe zu besiegen...

Kritik: „Die fantastische Welt von Oz“ ist von der FSK zwar ab sechs Jahren freigegeben, aber es handelt sich nicht um einen reinen Kinderfilm. Auch vielen Erwachsenen dürfte dieser Märchenfilm aus der Hand des „Tanz der Teufel“-Regisseurs Sam Raimi gefallen, besonders wenn sie die „Vorlage“ aus dem Jahr 1939, „Der Zauberer von Oz“ mit Judy Garland, kennen.
Nach circa zwanzig Minuten taucht der Zuschauer mit dem Helden Oscar zusammen ein in die quietschbunte Welt von Oz (bis dahin wurden nur schwarzweiße Bilder gezeigt). Einige Kulissen sind eindeutig als bemalte zu erkennen, was zeigt, dass sich Sam Raimi gar nicht darum schert, die Künstlichkeit des Landes Oz vor dem Betrachter zu verbergen (was im digitalen Zeitalter leicht möglich gewesen wäre). Diese spezielle Ästhetik verleiht dem Film einen ganz eigenen Stil und besonderen Charme. In Teilen erinnert der Film an Tim Burtons „Alice im Wunderland“ aus dem Jahr 2010. Und in der Tat hätte man sich „Die fantastische Welt von Oz“ auch unter der Regie von Burton und mit dem Hauptdarsteller Johnny Depp vorstellen können. Aber auch James Franco als Oscar und Michelle Williams, Rachel Weisz und Mila Kunis als die drei Hexen machen ihre Sache ganz gut.

Sam Raimis Film hat sicher nicht die künstlerische Qualität und psychologische Tiefe wie der Klassiker von 1939. Die Botschaft von Raimi lautet: Du musst an dich glauben! In dem Film von 1939 werden noch Begriffe wie Mut, Herz und Verstand diskutiert. Die Begleiter von Oscar sind ein fliegender Affe im Pagenkostüm, der mich von seinem Verhalten etwas an Jar Jar Binks aus den „Star Wars“-Filmen erinnert, und ein traumatisiertes Porzellanmädchen, das vornehmlich süß ist. Was Figuren- und Charakterzeichnung angeht, ist der Film in der Tat recht einfach gestrickt, und auch jüngere Kinder sollten keine Probleme haben, der Handlung zu folgen. „Die fantastische Welt von Oz“ ist unterhaltsames Popcorn-Kino für Jung und Alt. Der Film hat mir besonders ab der Mitte Spaß gemacht, als sich der Zauberer von Oz mit der guten Hexe Glinda und den braven Bürgern gegen das Heer der bösen Hexen rüstet. Tricks und Wissenschaft stehen der bösen Magie und einem Heer von fliegenden Pavianen gegenüber. Zu dem Zeitpunkt kann man es kaum noch erwarten, dass die bösen Hexen auf die Fresse kriegen, und das Warten auf die „Schlacht“ machte für mich einen großen Teil von Vergnügen und Kurzweil aus. Und hier fällt einem wieder der Regisseur ein, denn man wird während der Entwicklung der Verteidigungsmaßnahmen an Sam Raimis Film „Armee der Finsternis“ (1992) erinnert, in der sich Ash (Bruce Campbell) ebenfalls mit Tricks und Wissenschaft gegen den Angriff der Dämonen zu wehren versucht.

„Die fantastische Welt von Oz“ bietet sicher auch Ansatzpunkte für eine negative Kritik, die quietschbunte Welt kann nicht jeder über fast zwei Stunden ertragen ebenso wie die Filmmusik von Danny Elfman. Und die einfache Handlung dürfte auch manchen intellektuellen Kritiker nicht gerade milde stimmen, aber mir hat der Film einfach gut gefallen und ich fühlte mich sehr gut unterhalten. Einfach anschauen und sich an den Bildern, Figuren, Masken und Effekten erfreuen. Wenn man das Fantasy-Genre mag, kann man sich den Film schon mal antun.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Projektion des Zauberers von OZ // Affe und Porzellanmädchen // Flug in der „Seifenblase“ // Mila Kunis als böse Hexe // Augen im Dunkelwald

Bewertung: (6/10)

Sonntag, 21. Juli 2013

Sinister



Sinister (OT: Sinister, USA 2011, Regie: Scott Derrickson)

Handlung: True-Crime-Schriftsteller Ellison muss wegen finanzieller Probleme mit Frau, Sohn und Tochter in ein kleineres Haus ziehen. In dem Haus kam vor einiger Zeit eine Familie auf ungeklärte Weise ums Leben. Doch das verschweigt Ellison seiner Frau und seinen Kindern. Er möchte einen neuen Bestseller schreiben und fängt an zu recherchieren. Auf dem Dachboden findet er eine Kiste mit einem Super-8-Projektor und Filmen. Auf den Filmen ist zu sehen, wie Familien auf grausame Art ermordet werden. Nur jeweils eines der Kinder bleibt verschwunden. Außerdem stößt er auf eine mysteriöse Gestalt, die in jedem der Filme auftaucht...

Montag, 1. Juli 2013

The Watermen



The Watermen (OT: The Watermen, USA 2011, Regie: Matt L. Lockhart)

Handlung: Der reiche Erbe Trailor lädt die Brüder Mike und Bret sowie drei Mädels auf einen Hochsee-Trip ein. Die sechs Freunde wollen angeln und so richtig abfeiern, doch dann hat die Jacht einen Motorschaden An Bord funktionieren weder Elektrik noch Wasserversorgung. Die Luxus-Jacht treibt im Atlantik vor sich hin, und die Jugendlichen drohen zu verdursten. Dann kommt die vermeintliche Rettung, ein Fischerboot mit den Watermen an Bord, Angehörigen eines uralten, abgeschieden lebenden Volkes. Sie schleppen die Jacht ab und geben den Jugendlichen zu trinken. Doch das Wasser ist präpariert, die sechs Freunde fallen nacheinander in Ohnmacht. Der Horror beginnt, denn die Watermen wollen ihren Fang zu Fischfutter verarbeiten...

Freitag, 28. Juni 2013

Cabin of the Dead



Cabin of the Dead (OT: Wither, Schweden 2012, Regie: Sonny Laguna, Tommy Wiklund)

Handlung: Das Paar Ida und Albin fährt mit einigen Freunden in eine abgelegene Hütte im Wald, um dort einen entspannten Urlaub zu verbringen. Schon auf der Fahrt dorthin wird kräftig gefeiert und getrunken. Doch etwas Grauenhaftes, das unter der Hütte sein Unwesen treibt, hat auf die unvorsichtigen Reisenden nur gewartet, die in ausgelassener Stimmung dort ankommen. Ein weibliches Mitglied der Gruppe macht im Keller als Erste mit einem bösen Dämon Bekanntschaft und verwandelt sich daraufhin selbst in eine dämonische Kreatur, die ihre Freunde angreift. Ein gnadenloser Kampf ums Überleben beginnt...

Mittwoch, 26. Juni 2013

Besessen - Der Teufel in mir



Besessen – Der Teufel in mir (OT: Devil Seed, Kanada 2012, Regie: Greg A. Sager)

Handlung: Alexandra kehrt gerade aus den Sommerferien zurück und wohnt wieder mit ihren Freundinnen Jessica und Breanne zusammen in einer WG. Nachdem sie am letzten Ferientag eine wilde Party gefeiert haben, lässt sich Alexandra dazu überreden, sich die Zukunft voraussagen zu lassen. Sie gehen zu einer alten Zigeunerin, die Alexandra aus der Hand liest. Doch dabei geht irgendetwas schief, Alexandra hat Visionen und fällt in Ohnmacht. Am nächsten Morgen kann sie sich an nichts erinnern. Doch bald wird klar, dass Alexandra von einem Dämon besessen ist...

Kritik: William Friedkins „Der Exorzist“ aus dem Jahre 1973, ein Schlüsselwerk des Besessenheitsfilms, rief eine Flut von Nachahmern hervor, Exorzistenfilme gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Und bei der Klasse von „Der Exorzist“ überrascht es nicht, dass kaum einer das Niveau von Friedkins Film erreicht. So auch nicht Greg A. Sagers „Besessen – Der Teufel in mir“. Der Film bewegt sich von Anfang an auf durchschnittlichen und ausgetretenen Pfaden. Natürlich sind die drei Hauptdarstellerinnen schön anzusehen, und eine Sexszene gibt es auch gleich am Anfang. Alexandras Freund Brian poppt mit Breanne, die keinerlei schlechtes Gewissen hat und sich später auch noch über die Jungfräulichkeit von Alexandra lustig macht. Man muss nicht viel Horrorfilm-Erfahrung besitzen, um zu ahnen, wer hier die Bitch ist und als Erstes ein Opfer des Dämons werden wird. „Besessen“ schleppt sich auch sonst vorhersehbar dahin ohne wirkliche Überraschungen. Sager lässt kein Klischee aus, wenn er zeigt, dass Alex von einem Dämon besessen ist: ein Fernseher geht von selbst an, das Licht von selbst aus, ein Buch liegt nicht mehr dort, wo es vorher lag, ein anderes Buch fällt aus dem Regal, ein Luftzug, ein Dämon unter der Bettdecke, Kratzer und Verletzungen am Körper, eine metallisch klingende Dämonenstimme etc. Der Regisseur plündert stark und ungeniert bei ähnlich gelagerten Genre-Produktionen, aber er plündert recht gut, was den Film letztendlich rettet und doch noch ganz erträglich werden lässt. Eine bedrohliche Stimmung durchzieht „Besessen“ über weite Strecken und er hat einige ganz gute Szenen. Wer einen echten Exorzistenfilm erwartet, wird aber enttäuscht werden, denn die Auseinandersetzung zwischen Dämon und Priester dauert nur wenige Minuten und ist nicht Hauptinhalt des Films. Es handelt sich eher um ein Horrordrama mit der Figur der Alexandra im Mittelpunkt. Kritisieren lässt sich das hektische sowie etwas konstruiert wirkende Ende des Films. Alles in allem ist „Besessen“ ein durchschnittlich unterhaltsamer Horrorfilm nach herkömmlichen Mustern und Vorbildern, dem es aber nicht gelingt, der Besessenheitsthematik neue Aspekte abzugewinnen.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Spiderwalk // Alex-Dämon schwebt im Zimmer // Alex-Dämon steht am Bett von Breanne // Alex-Dämon leckt den eigenen Urin auf

Bewertung: (5,5/10)

Montag, 24. Juni 2013

Mama


Mama (OT: Mama, Spanien/Kanada 2013, Regie: Andrés Muschietti)

Handlung: Infolge der Wirtschaftskrise 2008 tötet der verzweifelte Geschäftsmann Jeffrey Partner und Ehefrau. Er flieht im Auto mit seinen beiden Töchtern, der dreijährigen Victoria und ihrer einjährigen Schwester Lilly. Als er die Kontrolle über den Wagen verliert, stürzt dieser einen Abhang hinunter. Doch die drei überleben und finden Unterschlupf in einer verlassenen Hütte im Wald. Dort will Jeffrey seine Töchter umbringen und dann Selbstmord begehen. Als er mit der Pistole auf seine älteste Tochter zielt, erscheint eine Geistwesen und zieht ihn aus der Hütte. Fünf Jahre später werden die Kinder von ihrem Onkel Lucas gefunden. Sie sind in einem verwilderten und abgemagerten Zustand, bewegen sich vornehmlich auf allen vieren und sprechen nicht. Die Kinder kommen bei ihrem Onkel und dessen Partnerin Annabel unter. Ein Psychiater findet in Gesprächen mit der nun achtjährigen Victoria heraus, dass sich die Kinder einen mysteriösen Charakter eingebildet haben, so glaubt er zumindest, den sie „Mama“ nennen. Doch Mama ist keine Einbildung, sondern ein Geist, der nicht bereit ist, seine beiden Kinder einfach so herzugeben...

Kritik: Die von Guillermo del Toro produzierte und von Regisseur Andrés Muschietti erzählte Geschichte präsentiert uns einen atmosphärisch dichten Geisterhorror mit Anleihen beim Märchen und dem japanischen Geisterfilm. Ob man das nun als Hommage oder Bilderklau bezeichnet, spielt dabei für mich keine so große Rolle. Wichtig ist, dass „Mama“ durchgehend spannend ist und famose, düstere Bilder bietet. Der Film setzt zwar eher auf einen subtilen Schauer, hat aber auch einige Schockmomente, die einen regelrecht umhauen, obwohl man sie zum Teil erwartet und vorhersehen kann. Der Film hat eine visuelle Kraft, der man sich kaum entziehen kann.

Die Figuren sind inklusive aller Nebenrollen mit passenden Darstellern besetzt. Besonders gut fand ich Jessica Chastain. Die hat in ihrer Karriere für ihre guten darstellerischen Leistungen schon zahlreiche Filmpreise bis hin zu einer Oscar-Nominierung erhalten. Glaubhaft stellt sie in „Mama“ Annabel dar, die in der Geschichte eine Entwicklung durchmacht von der von Kindern genervten und im Umgang mit ihnen eher überforderten Rockröhre hin zur Mutterfigur, die am Ende so stark und gefestigt ist, dass sie in dem furiosen Finale des Films bereit ist für die ultimative Auseinandersetzung mit Mama. Überhaupt schlägt der Film schnell die Richtung ein, die auf das Ende hindeutet. Annabels Freund, der Onkel der Mädchen, liegt den halben Film lang im Koma, sodass schnell klar wird, worauf der Film hinausläuft: einen Konkurrenzkampf zweier „Mütter“ um die Kinder. Apropos Kinder: Überragend sind die beiden Mädchen Megan Charpentier (als Victoria) und Isabelle Nélisse (als Lilly). Während des gesamten Films geht von den beiden eine unheimliche Bedrohung aus, was an der Art liegt, wie sie kommunizieren und sich bewegen (besonders die jüngere der Schwestern), aber vor allem daran, dass sie sich immer wieder zu Mama hingezogen fühlen, dem Wesen, das sie großgezogen und ernährt hat. Mama dringt immer öfter in die bürgerliche Familie ein und ist für die Erwachsenen eine tödliche Gefahr, für die Kinder scheinbar nicht. 

Eine der besten Einstellungen ist eine Art „Splitscreen“ durch geschickte Mise-en-scene, die zeigt, wie Grusel im Kopf des Betrachters entsteht, ohne irgendetwas Gruseliges im Bild zu präsentieren. Die Kamera zeigt rechts im Bild die Tür zum Kinderzimmer, wo Lilly mit jemandem spielt. Sie zerrt an einer Decke, die von einer anderen Person, die man nicht sehen kann, festgehalten wird. Links im Bild sieht man den Flur, auf dem nacheinander all die Personen entlanggehen, die als Spielpartner von Lilly überhaupt infrage kommen. Wer ist aber dann mit Lilly im Zimmer?

Natürlich hat der Film auch kleine Schwächen. Manchmal erzählt er mit der Holzhammermethode, zum Beispiel als sich Annabel am Anfang des Films über das negative Ergebnis eines Schwangerschaftstest freut. Dass Kinder eigentlich so gar nicht in den Lebensentwurf von Annabel (und auch Lucas) passen, kann man auch anders darstellen, und es wird später in der Erzählung sowieso noch deutlich, zum Beispiel in den Sequenzen um den Sorgerechtsstreit. Auch andere Bilder wirken etwas redundant und überstrapaziert (wie das häufige Auftreten von Motten), und das bombastische Finale mit CGI-Unterstützung ist sicher auch nicht jedermanns Sache. Sicher wäre auch zu überlegen gewesen, Mama im letzten Drittel des Films nicht ganz so häufig ins Bild zu nehmen, dadurch verliert sie etwas von ihrem Zauber. Andererseits ist das Design der Figur so klasse, dass man sie auch nicht zu verstecken braucht. Guillermo del Toro war von dem Aussehen des Geistes regelrecht umgehauen, wie er in den Extras zum Film betont. Das wird sicher auch manchem Zuschauer so gehen.

Obwohl „Mama“ dramaturgisch aufgebaut ist wie fast jede klassische Geistergeschichte und von flackernden Lampen bis wackelnden Kronleuchtern alles bietet, was die Ghosthorror-Mottenkiste so hergibt, übt er doch eine besondere Faszination auf den Betrachter aus. Das liegt vor allem an der spannenden Geschichte, den famosen Bildern und nicht zuletzt den wirklich überragenden Kinderdarstellern. Und auch der „matriarchale Ansatz“ hat seinen Reiz, wird der Film doch getragen von weiblichen Darstellern. Die Männer sind entweder dumme, in Panik geratene Väter, im Koma oder ohnmächtig auf dem Boden liegende Onkel oder einfältige Psychiater, die nachts in den Wald rennen, obwohl sie gerade die Überzeugung gewonnen haben, dass es sich tatsächlich um einen gefährlichen Geist handeln könnte. Na gut, der Schauspieler hinter Mama ist ein zwei Meter großer dürrer Mann, aber das nur am Rande. Freunde des klassischen Geisterhorrors sollten sich diesen Film auf keinen Fall entgehen lassen.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Mama // die beiden verwilderten Mädchen in der Hütte, wie sie aussehen und sich bewegen // die kleine Lilly, die im Haus ihrer großen Schwester gekrümmt hinterherläuft, weil sie noch nicht sicher aufrecht gehen kann

Bewertung: (8,5/10)

Freitag, 21. Juni 2013

Remains of the Walking Dead



Remains of the Walking Dead (OT: Remains, USA 2011, Regie: Colin Theys)

Handlung: Nach einem nuklearen Unfall verwandelt sich der größte Teil der Weltbevölkerung in fleischfressende Zombies. Nur wenige Menschen haben überlebt, darunter eine kleine Gruppe in der Spielerstadt Reno, die sich in einem Casino verschanzt. Währenddessen werden die Zombies mit jedem Tag schneller, aggressiver und klüger... 

Kritik: „Dawn of the Dead trifft 28 Days Later“ steht auf der Rückseite des Covers. Das weckt natürlich hohe Erwartungen beim Zuschauer, die aber in keinster Weise erfüllt werden können. Mit diesen beiden Meilensteinen des Zombiegenres kann „Remains of the Walking Dead“ nicht mithalten. Es handelt sich, was die Effekte und Masken angeht, um einen solide gemachten B-Zombie-Film. Die Zombies sehen so aus, wie Zombies eben aussehen. Gelungen sind die Augen, die den lebenden Leichen etwas Dämonisches geben. Handwerklich ist der Film zwar solide gemacht, aber in allen anderen Bereichen fällt er ab. Die Handlung ist nicht der Rede wert, und die Figuren bleiben merkwürdig eindimensional und blass, bieten einem kaum Identifikationsmöglichkeiten, sodass auch Spannung nicht wirklich aufkommen mag. Dass Zombies im Stehen schlafen können, ist eine neue Idee, die aber bis auf einmal nicht weiter ausgereizt wurde. Und neu ist wohl auch, dass sich Zombies sogar gegenseitig fressen. Die Schlaueren fressen die Zurückgebliebenen, Darwin für lebende Tote sozusagen, Kannibalismus unter Zombies. Es gibt natürlich einzelne spannende Szenen und gute Schockmomente, zum Beispiel als eine der weiblichen Hauptfiguren einem schlafenden Polizisten-Zombie die Waffe zu entwenden versucht, aber insgesamt gelingt es dem Film nicht, einen echten Spannungsbogen aufzubauen. „Remains of the Living Dead“ bietet auch kaum Szenen, die man nicht schon tausendmal in ähnlichen Zombiefilmchen gesehen hat. Hinzukommt, dass einige Schauspieler ausgesprochen talentfrei agieren und die deutsche Synchro als nicht gerade gelungen bezeichnet werden muss. Empfehlenswert allenfalls für Zombie-Allesgucker.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Zombie in der Waschmaschine // Tori klaut einem schlafenden Zombie in Polizeiuniform die Pistole // Finger werden an einen Zombie verfüttert // Zombie-Oma

Bewertung: (4,5/10)

Samstag, 15. Juni 2013

Die Rückkehr des King Kong


Die Rückkehr des King Kong (OT: Kingu Kongu tai Gojira, Japan/USA 1962, Regie: Ishiro Honda)

Handlung: Das Monster Godzilla kann sich aus einem riesigen Eisberg (in dem es seit dem zweiten Godzillafilm aus dem Jahr 1955 gefangen ist) befreien und marschiert auf Tokio zu. Gleichzeitig lässt der Direktor eines Pharmaunternehmens King Kong zu Werbezwecken auf seiner einsamen Insel aufspüren und nach Japan bringen. Natürlich kann sich der an ein Riesenfloß gefesselte King Kong irgendwann befreien und es kommt wie es kommen muss. Die beiden Giganten zerlegen halb Japan und treffen irgendwann mit Wucht aufeinander...

Kritik: In diesem dritten Godzillafilm (dem zweiten von Regisseur Ishiro Honda) werden King Kong und das japanische Monster zum ersten Mal in der Filmgeschichte in Farbe präsentiert. Willis O'Brien, Pionier der Stop-Motion-Technik und maßgeblich am Erfolg des Klassiker „King Kong und die weiße Frau“ (1933) beteiligt, schrieb 1961 ein Drehbuch zu einem erneuten King-Kong-Film mit dem Tiel „King Kong vs. Frankenstein“, das jedoch bei Produzenten und Filmemachern auf keine große Resonanz stieß. Über Umwege und ohne das Wissen von O'Brien gelangte das Drehbuch in die Hände der japanischen Toho-Studios. Diese bauten ihre erfolgreiche Godzillafigur ein, und so entstand ein Film, der in gewissem Sinne gleichzeitig ein King-Kong- und ein Godzillasequel ist. Mit 11,2 Millionen Besuchern bei der Erstaufführung ist „Die Rückkehr des King Kong“ bis heute der erfolgreichste aller japanischen Godzillafilme.

Seit dem ersten Godzillafilm von 1954 arbeiteten die Japaner hauptsächlich mit dem sogenannten Suitmation-Verfahren, das heißt, dass Schauspieler in Monsterkostümen (suit: Anzug, Kostüm) durch extra aufgebaute Modelle von Miniaturlandschaften stampfen und dort ihrer Zerstörungswut nachgehen können. Insofern ist dieser Film die Suitmation-Premiere von King-Kong. Nur ganz selten arbeiteten die Japaner mit der Stop-Motion-Technik. Es ist das Suitmation-Verfahren, das den japanischen Monsterfilmen aus dieser Zeit einen besonderen Charme verleiht. Man erkennt unschwer die Modelle der Hochhäuser, Autos, Panzer, Landschaften, und auch die Kostüme, in denen die Schauspieler stecken, sind nicht immer von ausgezeichneter Qualität. In „Die Rückkehr des King Kong“ ist das King-Kong-Kostüm, besonders der Kopf, nicht gerade sehr gut gelungen. Trotzdem üben die Bilder dieser Filme auf den Betrachter eine große Faszination aus. Einige aus heutiger Sicht schlechte Aufnahmen wechseln sich immer wieder ab mit Bildern voller Erhabenheit.

Die „Rückkehr des King Kong“ ist in der sogenannten „Kaiju Classics“-Reihe der Firma Anolis erschienen (jap. Kaiju = Riesenmonster), und man kann Anolis zu ihrer wundervollen Edition nur beglückwünschen. Ich habe mich regelrecht verliebt in diese Serie und mir gleich all die Filme der „Kaiju Classics“-Reihe geholt, die noch zu einem einigermaßen vertretbaren Preis zu bekommen waren. Es sind halt begehrte Sammlerstücke. Die Filme befinden sich in einem Metalpak mit tollen Motiven und enthalten Booklets und viele Extras (Audiokommentare von Monsterfilm-Kenner Jörg Buttgereit u.a., Filmfassungen aus verschiedenen Ländern etc). In „Die Rückkehr des King Kong“ befinden sich Super-8-Fassungen, die deutsche Fassung, die US-Fassung und die japanische Original-Fassung mit deutschen Untertiteln. Wer etwas über Filmgeschichte und den damaligen Umgang mit Film lernen möchte, sollte sich unbedingt die drei Fassungen anschauen und dazu noch die US-Fassung mit den wirklich interessanten Kommentaren von Jörg Buttgereit und Bodo Traber. Dieser Film ist ein Beispiel für die „Amerikanisierung“ ausländischer, insbesondere japanischer Filme. Der Original-Film wurde „bearbeitet“, weil man glaubte, dass er sich so in den USA besser vermarkten ließ. Szenen mit amerikanischen Schauspielern wurden in den Film hineingeschnitten, und sogar die Filmmusik wurde ausgetauscht, was man bei diesem Film als besondere Sünde betrachten muss. Die hervorragende Musik von Akira Ifukube wurde ersetzt unter anderem durch Musik aus dem Film „Der Schrecken vom Amazonas“ von Jack Arnold. Unfassbar! Allein schon deswegen lohnt sich die japanische Originalfassung. Der stark satirische und komödiantische Duktus der japanischen Fassung wurde in den USA abgeschwächt, um mehr Ernsthaftigkeit zu erzeugen. Da die deutsche Fassung auf der geschnittenen US-Fassung beruht und ebenfalls noch mal bearbeitet wurde, sieht es so aus, dass die deutsche Fassung die kürzeste ist und die japanische die längste. Wer sich den Film nur einmal anschauen will, dem empfehle ich die japanische Fassung.

Für diesen Film gilt das, was für alle japanischen Godzilla- und Monsterfilme gilt: Man muss sie mögen. Es sind zum Teil sehr schnell und billig produzierte Werke, und die Effekte changieren zwischen grandios und lächerlich. Heute genießen sie bei vielen Fans Kultstatus. Über den Subtext dieser Filme ist schon viel geschrieben worden. Das Nationalmonster Godzilla und ähnliche Geschöpfe konnten nur in Japan entstehen, dem Land, das als einziges und hoffentlich letztes in der Geschichte der Menschheit den Abwurf zweier Atombomben auf sein Territorium erleben musste. Godzilla ist die Atombombe in Monstergestalt. In den ersten Godzillafilmen stand das Monster für die absolute, existenzielle Bedrohung Japans, später fand fast schon eine Domestizierung statt, und Godzilla rettete nicht selten Japan vor der Bedrohung durch andere Monster oder Außerirdische. Wenn man Godzilla als Monster gewordenes Symbol für Atombombe und Atomenergie im Allgemeinen betrachtet, wofür einiges spricht, dann läuft die Entwicklung dieses Monsters parallel mit der Entwicklung, die die Atomkraft in Japan genommen hat. Von der anfänglichen existenziellen Bedrohung hin zur friedlichen Koexistenz (Atomkraftwerke). Godzillafilme sind ein Stück japanische Kulturgeschichte.

Bei den Recherchen zu dieser Besprechung bin ich auf einen Artikel von Jörg Buttgereit in der Zeit.online gestoßen. Er schrieb dort: „Als soziopolitische Metapher geben Japans Filmmonster bis heute einen tiefen Einblick in die japanische Kultur. Denn egal, welche Bestien ihr Unwesen treiben, egal, was die Kaiju anrichten, zertrampeln und explodieren lassen: Anders als im amerikanischen Kino wird das stets übermächtige Monster am Ende nicht umgebracht. Vielmehr strebt man die mehr oder weniger friedliche Koexistenz an. Wer die Duldsamkeit und Ruhe der Japaner im Umgang mit der gegenwärtigen Katastrophe (Fukushima, FraSchei) begreifen will, sollte sich die Monsterfilme dieses Landes anschauen.“ Das ist auch meine Empfehlung...

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: King Kong fliegt an Ballons befestigt und von Hubschraubern gezogen durch die Luft // Godzilla nimmt einen Zug auseinander // Kampf zwischen King Kong und Godzilla // King Kong kämpft mit einem Oktopus // King Kong stopft Godzilla das Maul mit einem herausgerissenen Baum

Bewertung: (7/10)

Dienstag, 11. Juni 2013

Terrorkino. Angst/Lust und Körperhorror



Marcus Stiglegger: Terrorkino. Angst/Lust und Körperhorror, Berlin 2010

Dr. Marcus Stiglegger dürfte vielen Fans des Horrorfilms durch seine Bücher, Zeitschriftenaufsätze und Audio-Kommentare bekannt sein. Seine Verdienste um das Genre sind unumstritten, doch mit dieser Publikation hat er sich wahrlich keinen Gefallen getan. Aufgabe des Buches „Terrorkino. Angst/Lust und Körperhorror“ soll es sein, „jene als 'torture porn' inkriminierte Tendenz des US-amerikanischen und internationalen Kinos ernsthaft zu analysieren“ (S. 17) und die Reflexion gesellschaftlicher Wirklichkeit, die sich in Filmen wie „Hostel“, „Saw“, „American Crime“ etc. abzeichnet, „in ihrer ganzen Konsequenz zu untersuchen“ (S.17). Man ahnt schon, dass diese hehren Ziele in einem so kurzen, zur Buchform aufgeblähten Aufsatz kaum erreicht werden können.

In aller Ausführlichkeit beschreibt er im ersten Kapitel einen realen Mordfall in den USA, der Grundlage für den Film „An American Crime“ war (was aber bereits den meistens Fans schon vorher bekannt gewesen sein dürfte) und der wohl verdeutlichen soll, dass auch in der Realität im bürgerlichen Milieu Aggression, Bestialität und Folterpotenzial schlummern. Doch das ist nicht neu, ebensowenig wie es neu ist, dass Horrorfilme schon immer das politische und gesellschaftliche Geschehen und die Ängste der Zeitgenossen aufnahmen, spiegelten und modifizierten. Das war in Folge des Vietnamkrieges so, und auch die Folterhorrorfilme wie „Hostel“ & Co. sind im Grunde logische Konsequenz von 9/11. Der moderne Horrorfilm sei, so Stiglegger, Reflexion gesellschaftlicher Wirklichkeit, der Körper nach 2001 durch Terror, Krieg und Folterskandale in seiner Versehrbarheit deutlich ins Zentrum der Wahrnehmbarkeit der Öffentlichkeit gerückt. „Auch bizarre Ereignisse wie die Taten des pädophilen Killers Marc Dutroux in Belgien, die jahrelange Gefangenschaft von Natascha Kampusch und der Fritzl-Familie in Österreich sowie der 'Kannibalenmord' von Rothenburg reizten die abgründige Phantasie von Publikum und Filmemachern gleichermaßen“, so Stiglegger (S. 95 f.). Der Autor behauptet diesen Zusammenhang, der wahrscheinlich sogar stimmt, einfach, und das nicht als Erster. Aber das war es dann auch schon. Der Anspruch, die Reflexion gesellschaftlicher Wirklichkeit „in ihrer ganzen Konsequenz zu untersuchen“, wird nicht annähernd eingelöst.

Die Passagen des Buches, in denen Stiglegger versucht zu erklären, warum Menschen sich Terrorfilme überhaupt anschauen, werden ebenso oberflächlich abgehandelt, kaum Hinweise auf Rezeptionsforschung und Ähnliches. Stiglegger behauptet einfach, ohne zu belegen. Er unterstellt eine Art sadomasochistisches Verhältnis zwischen Film und Zuschauer, verweist darauf, dass sich der Rezipient sowohl mit Täter als auch mit Opfer identifizieren und daraus Vergnügen ziehen könne, er spricht von einer seduktiven (verführerischen) Wirkungsmächtigkeit des Terrorfilms etc. etc. Nichts Neues eigentlich. Sein geschichtlicher Überblick („Die Genese des Terrors“) ist eine lieblose Aneinanderreihung von Filmtiteln, die noch dazu durch ihre Häufigkeit und Versalschreibung über Seiten hinweg für ein unruhiges Schriftbild sorgen.

Das ganze Buch kommt einem vor wie alter Wein in neuen Schläuchen. Die Schläuche sind dann die neuen Begriffe, mit denen er bisweilen arbeitet. Die modernen Horrorfilme seit Anfang der 60er-Jahre bezeichnet Stiglegger als „Terrorfilme“, ein Subgenre „zwischen Horrorfilm und Thriller“ (S. 56). Auch mit diesem Begriff habe ich meine Probleme. Ich fände es weniger verwirrend, wenn er nur Filme wie „Hostel“ und „Saw“ als „Terrorfilme“ bezeichnet, also die Folterfilme, die ab Anfang des 21. Jahrhunderts entstanden sind. Doch auch das ist problematisch. Der Begriff Terror ist im allgemeinen Sprachgebrauch zu sehr mit Attentaten und Bombenexplosionen, also Terroranschlägen konnotiert. Ich glaube nicht, dass sich der Begriff, außer im akademischen Diskurs, durchsetzen wird und Sinn macht. Kaum vorstellbar, dass man aus der Videothek nach Hause kommt und seiner Partnerin/Freunden erzählt, dass man sich einen „Terrorfilm“ ausgeliehen habe. Geht es da um einen Anschlag auf die USA oder um durchgeschnittene Achillesfersen? Als Begriff für ein Genre oder Subgenre taugt Terrorfilm meiner Meinung nach nicht, zumindest bringt er keine wirklichen Verbesserungen gegenüber Einordnungen wie Slasherfilm, Folterhorror, Backwood-Horror etc. Abgesehen davon umfasst Stigleggers Begriff des „Terrorfilms“ eine Gruppe von Filmen ab 1974 („The Texas Chain Saw Massacre“), die einige Vorboten in den 60er-Jahren hatten, bis in die Gegenwart. Und hier hat er neben dem Problem der semantischen Zweideutigkeit ein Problem, das viele Genrebegriffe haben, nämlich zahlreiche unterschiedliche Filme unter einen Hut zu bringen.

Am interessantesten fand ich noch Stigleggers zivilisationskitischen Ansatz, der postuliert, dass „mit der voranschreitenden Virtualisierung des Alltagslebens in den westlichen Industriestaaten eine weitgehende Entfremdung vom Körper eingesetzt (habe), der im 'torture porn' symbolisch zurückerobert wird“ (S. 96). Nachvollziehbar und wichtig ist auch der Hinweis auf den Zusammenhang von Horrorfilm/Terrorfilm und einem immer unmenschlicher werdenden Kapitalismus, der letztendlich sogar den Menschen und seinen Körper nur noch im Hinblick auf die Nützlichkeit für Markt und Produktion definiert. Das Terrorkino spiegele „den realen Horror eines (neoliberal entfesselten) Kapitalismus, dessen destruktiver Endpunkt die totale und willkürliche Verfügungsgewalt über die in Waren verwandelten Menschen ist“ (S. 98). Diesen Aspekt sollten auch die Zensoren aller Länder bedenken. Die Welt ist nicht so brutal, weil Horrorfilme zu Gewalt anregen, sondern Horrorfilme spiegeln nur die zunehmend brutaler werdende reale Welt. Da hilft Zensur von Kunstwerken gar nichts! 

Der Hauptgrund, weswegen ich aber von diesem „Buch“ eher abrate, ist das miserable Preis-Leistungs-Verhältnis. Hier wurde aus einem gefühlten 20-Seiten-Aufsatz (wenn ich Typografie und Format von wissenschaftlichen Zeitschriften oder Aufsatzbänden zugrunde lege) ein Buch gezaubert, für das der Verlag sage und schreibe 9,90 Euro (in Worten: neun Euro neunzig) verlangt. Das Buch hat in etwa die Maße eines Reclam-Heftchens. Das allein wäre ja nicht so schlimm. Damit man aber auf rund 92 Seiten kommt, wurde die Schrift in einer Punktgröße gesetzt, die mich an Bücher für Sehbehinderte mit Großbuchstaben erinnert. Eine Seite besteht aus 26 Zeilen à circa 40 bis 45 Anschlägen. Hätte man die Schriftgröße eines durchschnittlichen Reclam-Heftchens benutzt, wäre wohl kaum ein 50-Seiten-„Buch“ herausgekommen. Und wenn man dann noch die vielen Bilder abzieht... Weil rund 50 doppelseitig bedruckte Seiten immer noch nicht viel hermachen, hat man so ziemlich das dickste Papier genommen, das bei der Größe des Buches noch zu verwenden war. So kommt man dann auf circa einen Zentimeter Dicke. Ist eigentlich juristisch festgelegt, wann man von „Buch“ und wann von „Heftchen“ sprechen muss? In Anlehnung an die oben zitierten Worte Stigleggers spiegelt das Buch meiner Meinung nach den realen Horror eines (neoliberal entfesselten) Kapitalismus, dessen destruktiver Endpunkt die totale und willkürliche Verfügungsgewalt von Verlagen und Autoren über die Definition des Wortes Buch ist. Gäbe es in Analogie zu Foodwatch ein Bookwatch, so ginge der goldene Windbeutel an Verlag und Autor von „Terrorkino. Angst/Lust und Körperhorror“. Zumindest, wenn es nach mir ginge... Marcus Stiglegger, das können Sie besser! Oder brauchten Sie das Geld?