Freitag, 26. April 2013

Die Nacht des Jägers



Die Nacht des Jägers (OT: The Night of the Hunter, USA 1955, SW, Regie: Charles Laughton)

Handlung:
Depressionszeit in West Virginia: Der psychopathische Wanderprediger Harry Powell reist durch die Lande und tötet Frauen. Er ist jetzt hinter 10000 Dollar her, die er im Haus der Familie des hingerichteten Diebes Ben Harper vermutet, mit dem er im Gefängnis in derselben Zelle saß. Harper war es nach einem Bankraub gelungen, die Beute in der Puppe seiner Tochter Pearl zu verstecken. Er schwört sie und ihren größeren Bruder John auf Stillschweigen ein. Selbst die Mutter weiß nichts von dem versteckten Geld. Harry Powell kommt in den Ort und gewinnt das Vertrauen der Dorfbewohner und der Witwe des Diebes. Schließlich heiratet er sie. Aber er ist nur an dem Geld interessiert. Selbst in der Hochzeitsnacht macht er seiner Frau klar, dass er keinerlei sexuelle Interessen an ihr hat. Als seine Frau dahinterkommt, dass Powell nur an Geld interessiert ist, muss sie sterben. Powell versenkt sie an ein Auto gebunden im Fluss. Nun zwingt er die Kinder zu sagen, wo das Geld ist. Doch im letzten Moment gelingt den Kindern die Flucht in einem kleinen Boot, mit dem sie den Ohio hinuntertreiben. Sie finden Unterschlupf bei Rachel Cooper, einer alleinstehenden alten Frau, die Waisenkinder aufnimmt. Doch Powell findet die Kinder, und als er versucht, ins Haus einzubrechen, schießt Rachel ihn an und ruft die Polizei. Powell wird festgenommen und die Waisenkinder können mit der alten Frau Weihnachten feiern...

Kritik: Der Film entpuppt sich auf den zweiten Blick als ein Genre-Mix aus Thriller, Gothic Horror und Märchenfilm. Grandios ist das Spiel von Robert Mitchum als Wanderprediger. Von einer Sekunde zur anderen wechselt sein Mimenspiel vom friedliebenden Prediger zum eiskalten Psychopathen. Auf den Fingern seiner linken Hand sind die Buchstaben HATE tätowiert, auf den Fingern seiner rechten die Buchstaben LOVE. Ein Motiv, das bis heute in vielen anderen Filmen zitiert wurde und wird. Ungefähr in der Mitte des Films ändert sich der Schwerpunkt der Inszenierung, der Film changiert ins Märchenhafte und erinnert in vielem an Alice im Wunderland, ohne allerdings Grusel-Atmosphäre einzubüßen. Als die Kinder im Boot den Ohio runtertreiben, wird dies vom Ufer aus gefilmt. Die Kameraeinstellung zeigt die Kinder im Boot klein im Hintergrund, im Vordergrund sehen wir ein riesiges Spinnennetz, später eine Kröte und dann zwei Hasen. Die Kinder erscheinen optisch geschrumpft und verloren in einer ihnen unbekannten Welt. Kameramann Stanley Cortez hat den Film in wunderbaren SW-Bildern aufgenommen, die an den deutschen expressionistischen Film und die ersten Frankensteinfilme der Universal Studios aus den 30er-Jahen erinnern. Schon in diesem Film deutet sich die (vorläufige) Ablösung der übernatürlichen Monster der 30er-Jahre an. Der Mensch ist nun das Monster. Eine Entwicklung im Horrorfilm, die mit Filmen wie „Psycho“, „Peeping Tom“, „Texas Chainsaw Massacre“ etc. evident wurde. Die Inszenierung der brennende Fackeln tragenden Dorfbewohner gegen Ende des Film, die den überführten Wanderprediger lynchen wollen, erinnert stark an ähnliche Aufnahmen aus „Frankenstein“ (1931) und anderen Gruselfilmen. Beeindruckend sind die Sequenzen, in denen der Wanderprediger, teilweise singend, um die Häuser seiner Opfer streift. Wie ein Filmzitat wirkt die Szene in „Poltergeist 2“, als sich der dämonische alte Mann, Reverend Kane, dem Haus nähert, in dem sich die kleine Carol Anne befindet. „Die Nacht des Jägers“ muss man einfach gesehen haben. Für viele zählt er zu den besten Filmen aller Zeiten. Die einzige Regiearbeit von Charles Laughton. Eben einzigartig.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Spiel und Mimik von Robert Mitchum // der Wanderprediger reitet am Horizont, nur als Silhouette erkennbar // der Wanderprediger streift um die Häuser seiner Opfer // der Wanderprediger sitzt im Vorgarten und singt, während die alte Frau mit Gewehr in der Hand im Haus sitzt und irgendwann in den Gesang des Wanderpredigers einstimmt // die Bootsfahrt der beiden Kinder mit den übergroßen Tieren im Vordergrund // die getötete und im Fluss versenkte Mutter der beiden Kinder, die so fotografiert wurde, dass sie an eine Meerjungfrau erinnert

Bewertung: (10/10)