In
ihrem Haus (OT: Dans la maison, Frankreich 2012, Regie: Francois
Ozon)
Handlung:
Der Literaturlehrer Germain, desillusioniert und enttäuscht von den
Fähigkeiten seiner Schüler, liest eines Tages einen Aufsatz des
16-jährigen Claude. Der berichtet darüber, wie er sich langsam
Eintritt in das Haus und den Alltag der Familie eines
Klassenkameraden verschafft hat. Claude liefert immer neue Texte, die
alle mit den Worten „Fortsetzung folgt“ enden. Germain ist von
der Beobachtungsgabe und dem Talent seines Schülers fasziniert und
beschließt, ihn bei seinen schriftstellerischen Versuchen mit allen
Mitteln zu fördern. Und das löst eine Reihe dramatischer Ereignisse
aus...
Kritik:
Dieser Film ist eine wunderbare Reflexion über das Schreiben,
darüber, wie Geschichten entstehen und Figuren entwickelt werden. Und
das dürfte eigentlich auch Kinoliebhaber interessieren. In
jeder Wohnung, in jedem Haus und hinter jedem Fenster warten
Geschichten, die aufgeschrieben werden wollen, so das Fazit am Ende
des Films. Es bedarf dazu nur eines Beobachters mit viel Fantasie und
schriftstellerischem Talent. In dem Film selbst gehen Realität und
Fiktion mit zunehmender Dauer so ineinander über, dass der Zuschauer
irgendwann nicht mehr weiß, was wirklich passiert ist und was der
Gedankenwelt des jungen Schriftstellers entsprungen ist. Das
funktioniert wunderbar, und die Ereignisse im Film entwickeln eine
mitreißende Eigendynamik, es kommt immer wieder zu spannenden
Wendungen. Die Tipps, die der Lehrer seinem Schüler gibt, hat der
Regisseur Ozon bereits verinnerlicht. Er beobachtet seine Figuren
genau, geht mit der Kamera oft nah an sie heran und kreiert eine
wunderbare Atmosphäre. Sehr gut ausgewählt wurden ausnahmslos alle
Darsteller. Ernst Umhauer bringt die Figur des Claude glaubhaft und
authentisch rüber: mal braver Schüler, dann in einem fremden Haus
umherschleichender, aus dem Dunkeln heraus agierender Voyeur, der
selbst intimste Situationen beobachtet – und aufschreibt. Sehr gut
gefallen hat mir auch Emmanuelle Seigner (die Frau von Roman
Polanski) als desillusionierte und im bürgerlichen Milieu gefangene
Hausfrau mit unerfülltem Berufswunsch. Insgesamt ein rundum
gelungener Film, der durchgehend unterhält, was an der gekonnten
Inszenierung und den guten Darstellern sowie Dialogen liegt. Die
Bezeichnung Thriller, die man im Zusammenhang mit diesem Film oft
liest, halte ich aber für irreführend. Es ist für mich eher ein
fantastisches Psychodrama mit komödiantischen und satirischen
Elementen. Sollte man gesehen haben.
Bilder,
die im Gedächtnis bleiben: Germain und Claude sitzen auf einer Bank
und schauen sich in der Dämmerung Häuser an. Hinter einer Vielzahl
beleuchteter Fenster (die aussehen wie kleine Fernsehbildschirme)
passiert etwas, warten Geschichten, die entdeckt und aufgeschrieben
werden wollen
Bewertung: (8/10)
Bewertung: (8/10)