Oliver Jahraus/Stefan Neuhaus (Hrsg.): „Der
fantastische Film. Geschichte und Funktion in der
Mediengesellschaft“, Würzburg 2005
Dieser Sammelband ist entstanden aus
den Beiträgen zu einer Tagung über Fantastikforschung, die im
Januar 2004 an der Universität Oldenburg stattfand. Es handelt sich
um wissenschaftliche Aufsätze (also mit Anmerkungsapparat). Aber
keine Angst, sie sind allgemeinverständlich geschrieben, und auch
die (wenigen) englischen und französischen Originalzitate sind mit
Grundkenntnissen in diesen Sprachen und aus dem Kontext leicht zu
übersetzen. Die Leitfrage, die allen Beiträgen zugrundeliegt,
lautet: „Inwiefern könnte die Fantastik paradigmatisch für unsere
Gegenwartskultur sein?“ Das Fantastische weist indirekt immer auf
die Realitätsvorstellungen einer Kultur hin. Nur vor dem Hintergrund
dessen, was die Zeitgenossen als real anerkannt und definiert haben,
kann man von Phänomenen behaupten, sie seien fantastisch,
irreal, unrealistisch, wunderbar. In dem Band wird an zentralen
Beispielen verdeutlicht, wie die besonderen medialen Eigenschaften
des Films das Fantastische inszenieren und wie dabei Themen
unterschiedliche Schwerpunktsetzungen erhalten, je nachdem in welcher
Zeit sie diskutiert werden/wurden. Besonders interessant finde ich in
diesem Zusammenhang den Beitrag von Gunter E. Grimm (siehe Inhalt),
der sich mit den filmischen Metamorphosen beschäftigt, die die Figur
des Grafen Dracula im Verlaufe von Jahrzehnten erfahren hat. Wer noch
tiefer in dieses Thema eintauchen will, kann sich zusätzlich die Dissertation von Margit Dorn anschauen („Vampirfilme und ihre
sozialen Funktionen: Ein Beitrag zur Genregeschichte“, Frankfurt a.
M., Bern u.a. 1994). Lesenswert ist auch der Beitrag von Ken Woodgate,
der auf das Neue, die perspektivische Umkehrung in Alejandro
Amenábars „The Others“ hinweist: „Was aber dieser Film von
anderen fantastischen Werken am deutlichsten unterscheidet, ist die
Inversion der zwei Welten. Die seltsamen Ereignisse sind nicht auf
das Eindringen einer übernatürlichen Welt in die natürliche
zurückzuführen, sondern auf das Eindringen der normalen Welt ins
Übernatürliche. Was der Zuschauer zunächst für die normale Welt
gehalten hat, war eigentlich die Welt der Gespenster. Diese
perpektivische Umkehrung hat zur Folge, dass der Horror relativiert
wird...“ (S. 185). Die Beiträge des Sammelbandes reichen vom
Stummfilm „Der Student von Prag“ bis hin zu den „Matrix“- und
„Harry Potter“-Filmen. Da sollte für jeden etwas dabei sein. Ich empfehle dieses Buch allen am fantastischen
(Film-)Genre Interessierten...
Inhalt: Oliver Jahraus/Stefan Neuhaus:
Fantastik als Paradigma der Kultur – Stefan Neuhaus: Das
Fantastische als die Signatur der Zeit. Möglichkeiten eines
„unmöglichen Tauschs“ von Theorie und Film – W. Martynkewicz:
Von der Fremdheit des Ichs. Das Doppelgängermotiv in „Der Student
von Prag“ (1913) – Gunter E. Grimm: Monster und Galan. Graf
Draculas filmische Metamorphosen – Christoph Houswitschka: Burned
to Light: Die Rezeption von F. W. Murnaus „Nosferatu“ (1922) in
E. Elias Merhiges „Shadow of the Vampire“ – Johannes Pankau u.
Jens Thiele: Ein seltsamer Fall: „The Strange Case of Dr. Jekyll
and Mr. Hyde“ (1886) von Robert Louis Stevenson und Rouben
Mamoulians filmische Adaption von 1931 – Birgit Haas: Nostalgie und
Klischeemontage. Robert Zemeckis „Zurück in die Zukunft“ (1985)
– Stefan Neuhaus: Allegorien der Macht: „Batman“ (1989/1992)
und „Spider-Man“ (2002) – Michael Meyer: „Frankenstein“
(1994): Monströse Transformationen in Text und Film – Oliver
Jahraus: Die Matrix des Mediums Film. Philosophische und religiöse
Aspekte des Fantastischen in „The Matrix“ (1999) – Sabine
Kyora: Im Körper des Anderen. „Being John Malkovich“ (2000) –
Ken Woodgate: „The Others“ (2001): Fantastische Umkehrung –
Gertrud Rösch: Wächst das Rettende auch? Die Konzeptualisierung und
Visualisierung des Bösen in den Filmen „Harry Potter“
(2001/2002) und „Men in Black“ (1997/2002)