Mittwoch, 31. Juli 2013

Die hässlichen Schwäne


Die hässlichen Schwäne (OT: Gadkie Lebedi, Russland/Frankreich 2006, Regie: Konstantin Lopuschanskij, OmU)

Handlung: Victor Banev ist ein in den USA lebender russischer Schriftsteller. Als Mitglied einer UN-Kommission begibt er sich auf die Reise nach Taschlinsk, einer isolierten Stadt, die extremen Klimaveränderungen ausgesetzt ist und in der „Mutanten“ leben, die sogenannten Nassen (Mokretsy). Dort sucht er seine Tochter. Er findet sie in einem Internat für hochbegabte Kinder, das von den Nassen geleitet wird. Er möchte sie mit sich nehmen und aus der Stadt bringen, denn alles deutet daraufhin, dass die Regierung die Stadt der Nassen auslöschen will. Doch sie will nicht mit ihm kommen...

Kritik: Ebenso wie Andrej Tarkovskijs „Stalker“ (1979) ist auch der Film „Die hässlichen Schwäne“ eine Verfilmung eines Romans der Brüder Strugazkij. Die Brüder Arkadij und Boris Strugazkij sind die bekanntesten Vertreter der sowjetischen Phantastik. In ihren nicht selten mit Märchenmotiven gespickten Science-Fiction-Romanen (in der Sowjetunion nannte man die Science-Fiction „wissenschaftliche Phantastik“, naucnaja fantastika) geht es neben Bürokratie- und Alltagskritik nicht selten darum, wie Menschen in Anbetracht unvorhergesehener oder rätselhafter Ereignisse und Konstellationen reagieren. Das war in „Stalker“ so, der auf dem Roman „Picknick am Wegesrand“ beruht, und das ist auch in „Die hässlichen Schwäne“ so.

Regisseur Konstantin Lopuschanskij war einst Regieassistent bei dem großen Filmemacher Andrej Tarkovskij, und das merkt man dem Film in vielen Einstellungen an. Lopuschanskij lässt sich Zeit beim Erzählen seines Themas, er lässt seine Darsteller in aller Ausführlichkeit philosophische Dialoge führen und er zeigt in langen Einstellungen poetische Bilder einer scheinbar untergehenden Welt. Diese Welt, die Stadt Taschlinsk, ist durch Klimaanomalien in Infrarotlicht getaucht, es regnet dort ständig, und wenn man in einem neu eröffneten Restaurant speisen will, sitzt man bis zu den Knien im Wasser. 

Lopuschanskij zeigt uns diese Welt in faszinierenden Aufnahmen. Der Regen ist nicht nur auf der visuellen Ebene dauerpräsent, sondern auch als fast permanentes Hintergrundgeräusch. Die außerirdisch anmutenden Nassen leben hier, sie sind entstellt und tragen Umhänge. Und sie unterrichten die Kinder der Menschen, bringen ihnen das Denken bei, das zu Erkenntnissen führt, die die Kinder von ihren Eltern entfremden. Und auch vom Zuschauer. Denn als Victor Banev vor einer Schulklasse steht und mit den Kindern eine Diskussion über das Ende der Menschheit führt, argumentieren die Kinder in einer fast robotermäßigen Sachlichkeit, sodass sie kalt, emotionslos und bedrohlich wirken, bedrohlich wie die blonden „außerirdischen“ Kinder in „Das Dorf der Verdammten“ (1960). Haben die Kinder recht, steht die Menschheit vor dem Untergang, oder stellt sich der Zuschauer auf die Seite von Victor Banev, der die Menschen verteidigt, von Liebe und Emotionen spricht?

Der Film macht es dem Zuschauer nicht leicht, sich auf eine Seite zu schlagen, aber einfache Antworten haben auch die Brüder Strugazkij in ihren Werken nie gegeben. Fest steht, dass sich die Regierung und das Militär von den Nassen zunehmend provoziert fühlen, Unsicherheit schlägt um in stereotypen Aktionismus. „Wer die Kinder lenkt, der lenkt die Zukunft, dazu brauchen sie die Kinder“, erkennt in einem frühen Stadium des Films ein Wissenschaftler. „Klimaanomalien müssen normalisiert werden“, sagen die gemäßigteren Vertreter, das Militär spricht von den Nassen zunehmend als „Feinde, die uns den Krieg erklärt haben“. Eine Invasion stehe bevor, man entschließt sich daher zu einem C-Waffen-Krieg. Den Nassen wird die Evakuierung verweigert, da diese offiziell als kranke Menschen gelten. Ob dem so ist und woher sie eigentlich kamen, lässt der Film offen. Victor Banev will seine Tochter unbedingt noch vor dem Angriff aus der Stadt bringen, doch diese weigert sich ebenso wie die anderen Kinder, die nicht mehr in die alte, sterbende, korrupte Welt mit ihrer falschen Moral zurückkehren wollen. Letztendlich kommt es doch noch zu einer Rettung, einer Rettung, die sich aber für die geistige Entwicklung der Kinder als fatal erweist.

„Die hässlichen Schwäne“ ist ein poetischer, ein philosophischer Film, der spannend inszeniert ist und die Schwächen von Menschen und deren immer wieder gleiche, stereotype Reaktionen auf „Anomalien“ aufs Korn nimmt. Er stellt viele Fragen, unter anderem die nach dem geistigen und spirituellen Potenzial des Menschen. Science-Fiction-Fans sollten sich den Film nicht entgehen lassen. Exzellente Schauspieler, tolle Dialoge, beeindruckende Kulissen und famose Bilder machen „Die hässlichen Schwäne“ zu einem einzigartigen Filmerlebnis der ruhigeren Sorte. Wer die Art der Inszenierung von Tarkovskijs Filmen „Stalker“ und „Solaris“ (1972) mochte, wird auch diesen Film mögen. „Die hässlichen Schwäne“ ist mit russischem Originalton, deutsche Untertitel lassen sich einblenden. Davon sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen. OmU zu schauen ist sowieso oft besser, als sich schlechte Synchros anzutun.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: überschwemmtes Restaurant // die Nassen // die in Infrarotlicht getauchte Stadt Taschlinsk // schwebendes Kind

Bewertung: (9/10)

Sonntag, 28. Juli 2013

Das Labor des Grauens



Das Labor des Grauens (OT: The Mutations; AT: The Freakmaker, Großbritannien 1974, Regie: Jack Cardiff)

Handlung: Professor Nolter (Donald Pleasence) ist ein Genforscher, der versucht, eine neue Art Mensch zu schaffen, indem er Pflanzen- und Menschen-DNA kreuzt. Dazu braucht er natürlich immer wieder mal menschliches Frischfleisch, das ihm sein verunstalteter Assistent Lynch besorgt. Lynch leitet gleichzeitig eine Freakshow, in der er unter anderem die Kreaturen der fehlgeschlagenen Versuche des Professors ausstellt. Als Lynch eines Tages die Studentin Bridget entführt und dem Professor bringt, machen sich deren Freunde auf die Suche nach ihr...

Kritik: „Das Labor des Grauens“ rekurriert an vielen Stellen auf Tod „Dracula“ Brownings Film „Freaks“ aus dem Jahr 1932. Und wie in Tod Brownings Film, spielen auch in „Das Labor des Grauens“ tatsächliche Mitglieder einer Sideshow mit. Außerdem gibt es auch viele Anspielungen auf „Frankenstein“-Filme und sogar auf „Augen ohne Gesicht“ („Les Yeux Sans Visage“, 1960) von Georges Franju (Hundeszenen). Die Klasse der Vorlagen und zitierten Filme erreicht „Das Labor des Grauens“ zwar nicht, es handelt sich eindeutig um ein B-Movie, und auf der Skala von trashig bis kultverdächtig ist der Film doch eher in der Trashgegend angesiedelt. Dennoch gelingt es dem Film einigermaßen gut, einen Spannungsbogen aufzubauen. Mit Donald Pleasence als Mad Scientist hat ein Schauspieler die Hauptrolle, der einige Jahre später durch sein Auftreten in „Halloween“ (1978) und den Folgefilmen eindeutig zu einer Ikone im Horrorgenre wurde. Die Rolle von Pleasence sollte ursprünglich Vincent Price spielen, und das sagt schon einiges über den Charakter des Films aus. Denn er hätte auch einer dieser typischen Price-Filme werden können. Doch es gab angeblich Probleme mit dem Agenten von Price, sodass aus der Besetzung nichts wurde.

Der Film beginnt mit einer Vorlesung über Genetik und die Möglichkeiten des Klonens. Einige Zeitrafferaufnahmen von blühenden Pflanzen und wachsenden Pilzen sollen die „Wissenschaftlichkeit“ der Handlung untermauern. Insofern ist „Das Labor des Grauens“ nicht nur ein Horror-, sondern auch ein Science-Fiction-Film. Und die Aussage des Professors, dass man in einigen Jahren aus einer einzigen Zelle eines toten Dinosauriers einen lebenden werde klonen können, wirkte damals sicher noch fantastischer als heute. Diese Wissenschaftlichkeit ist dann der Ausgangspunkt einer zwar hanebüchenen, aber relativ spannend erzählten Geschichte mit einigen guten Darstellern, besonders aus der Reihe der „Freaks“.

Doch der Film hat noch mehr zu bieten. Er zeigt uns einige authentische Bilder des Englands Mitte der Siebziger-Jahre und auch, wie damals oft Filme gemacht wurden. Nämlich bunt. Man ließ es farblich richtig krachen. So wirkt das Labor des Professors mit seinen exotischen Pflanzen und den knalligen Farben wie ein bildgewordener LSD-Trip. Der komplette Gegensatz zu den düsteren SW-Filmen der Universal-Klassiker. Neben diesem nostalgischen Charme bietet der Film auch einige gelungene Kameraeinstellungen, zum Beispiel die subjektive Kamera aus der Sicht eines im Labor erwachenden Opfers oder ein bisweilen gelungenes Schattenspiel (Regisseur Jack Cardiff war eigentlich Kameramann und als solcher auch bekannter). Als Liebhaber älterer Filme bin ich froh, diese „Perle“ in der Wühlkiste meines Elektromarktes zufällig gefunden zu haben. Ich kannte den Film bisher nicht, irgendwie ist er völlig an mir vorbeigegangen. Wer glaubt, sich an den Anspielungen, einigen trashigen Szenen und der Ästhetik ergötzen zu können, sollte sich diesen Film durchaus mal anschauen. Ohne historische Perspektive mag er dem heutigen jüngeren Publikum eher albern und an vielen Stellen unfreiwillig komisch erscheinen. Was er manchmal ja auch ist.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Kaninchen wird an Pflanze verfüttert // Pflanzenmonster // Freakshow // Pflanzenmonster verspeist Mensch // nacktes Opfer im Labor

Bewertung: (6/10)

Dienstag, 23. Juli 2013

Die fantastische Welt von Oz



Die fantastische Welt von Oz (OT: Oz the Great and Powerful, USA 2013, Regie: Sam Raimi)

Handlung: „Die fantastische Welt von Oz“ ist konzipiert als Prequel zu den Ereignissen, die in dem Film-Klassiker von 1939 mit Judy Garland („Der Zauberer von Oz“, Regie: Victor Fleming) stattfinden. Oscar ist ein nicht sehr erfolgreicher Zirkusmagier und Scharlatan im Kansas des Jahres 1905. Als er es wieder einmal zu bunt getrieben hat, muss er in einem Ballon flüchten. Er gerät in eine Windhose, die ihn in das zauberhafte Land Oz verschlägt. Dort halten ihn alle für den großen Zauberer, der in einer Prophezeiung erwähnt wird und der die Bewohner des Landes vom Joch der bösen Hexe befreien soll. Nach anfänglichem Zögern spielt Oscar das Spiel mit und lässt die Bewohner in dem Glauben, tatsächlich der große Magier zu sein. Er macht sich mit zwei Gefährten auf den Weg, die böse Hexe zu besiegen...

Kritik: „Die fantastische Welt von Oz“ ist von der FSK zwar ab sechs Jahren freigegeben, aber es handelt sich nicht um einen reinen Kinderfilm. Auch vielen Erwachsenen dürfte dieser Märchenfilm aus der Hand des „Tanz der Teufel“-Regisseurs Sam Raimi gefallen, besonders wenn sie die „Vorlage“ aus dem Jahr 1939, „Der Zauberer von Oz“ mit Judy Garland, kennen.
Nach circa zwanzig Minuten taucht der Zuschauer mit dem Helden Oscar zusammen ein in die quietschbunte Welt von Oz (bis dahin wurden nur schwarzweiße Bilder gezeigt). Einige Kulissen sind eindeutig als bemalte zu erkennen, was zeigt, dass sich Sam Raimi gar nicht darum schert, die Künstlichkeit des Landes Oz vor dem Betrachter zu verbergen (was im digitalen Zeitalter leicht möglich gewesen wäre). Diese spezielle Ästhetik verleiht dem Film einen ganz eigenen Stil und besonderen Charme. In Teilen erinnert der Film an Tim Burtons „Alice im Wunderland“ aus dem Jahr 2010. Und in der Tat hätte man sich „Die fantastische Welt von Oz“ auch unter der Regie von Burton und mit dem Hauptdarsteller Johnny Depp vorstellen können. Aber auch James Franco als Oscar und Michelle Williams, Rachel Weisz und Mila Kunis als die drei Hexen machen ihre Sache ganz gut.

Sam Raimis Film hat sicher nicht die künstlerische Qualität und psychologische Tiefe wie der Klassiker von 1939. Die Botschaft von Raimi lautet: Du musst an dich glauben! In dem Film von 1939 werden noch Begriffe wie Mut, Herz und Verstand diskutiert. Die Begleiter von Oscar sind ein fliegender Affe im Pagenkostüm, der mich von seinem Verhalten etwas an Jar Jar Binks aus den „Star Wars“-Filmen erinnert, und ein traumatisiertes Porzellanmädchen, das vornehmlich süß ist. Was Figuren- und Charakterzeichnung angeht, ist der Film in der Tat recht einfach gestrickt, und auch jüngere Kinder sollten keine Probleme haben, der Handlung zu folgen. „Die fantastische Welt von Oz“ ist unterhaltsames Popcorn-Kino für Jung und Alt. Der Film hat mir besonders ab der Mitte Spaß gemacht, als sich der Zauberer von Oz mit der guten Hexe Glinda und den braven Bürgern gegen das Heer der bösen Hexen rüstet. Tricks und Wissenschaft stehen der bösen Magie und einem Heer von fliegenden Pavianen gegenüber. Zu dem Zeitpunkt kann man es kaum noch erwarten, dass die bösen Hexen auf die Fresse kriegen, und das Warten auf die „Schlacht“ machte für mich einen großen Teil von Vergnügen und Kurzweil aus. Und hier fällt einem wieder der Regisseur ein, denn man wird während der Entwicklung der Verteidigungsmaßnahmen an Sam Raimis Film „Armee der Finsternis“ (1992) erinnert, in der sich Ash (Bruce Campbell) ebenfalls mit Tricks und Wissenschaft gegen den Angriff der Dämonen zu wehren versucht.

„Die fantastische Welt von Oz“ bietet sicher auch Ansatzpunkte für eine negative Kritik, die quietschbunte Welt kann nicht jeder über fast zwei Stunden ertragen ebenso wie die Filmmusik von Danny Elfman. Und die einfache Handlung dürfte auch manchen intellektuellen Kritiker nicht gerade milde stimmen, aber mir hat der Film einfach gut gefallen und ich fühlte mich sehr gut unterhalten. Einfach anschauen und sich an den Bildern, Figuren, Masken und Effekten erfreuen. Wenn man das Fantasy-Genre mag, kann man sich den Film schon mal antun.

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Projektion des Zauberers von OZ // Affe und Porzellanmädchen // Flug in der „Seifenblase“ // Mila Kunis als böse Hexe // Augen im Dunkelwald

Bewertung: (6/10)

Sonntag, 21. Juli 2013

Sinister



Sinister (OT: Sinister, USA 2011, Regie: Scott Derrickson)

Handlung: True-Crime-Schriftsteller Ellison muss wegen finanzieller Probleme mit Frau, Sohn und Tochter in ein kleineres Haus ziehen. In dem Haus kam vor einiger Zeit eine Familie auf ungeklärte Weise ums Leben. Doch das verschweigt Ellison seiner Frau und seinen Kindern. Er möchte einen neuen Bestseller schreiben und fängt an zu recherchieren. Auf dem Dachboden findet er eine Kiste mit einem Super-8-Projektor und Filmen. Auf den Filmen ist zu sehen, wie Familien auf grausame Art ermordet werden. Nur jeweils eines der Kinder bleibt verschwunden. Außerdem stößt er auf eine mysteriöse Gestalt, die in jedem der Filme auftaucht...

Montag, 1. Juli 2013

The Watermen



The Watermen (OT: The Watermen, USA 2011, Regie: Matt L. Lockhart)

Handlung: Der reiche Erbe Trailor lädt die Brüder Mike und Bret sowie drei Mädels auf einen Hochsee-Trip ein. Die sechs Freunde wollen angeln und so richtig abfeiern, doch dann hat die Jacht einen Motorschaden An Bord funktionieren weder Elektrik noch Wasserversorgung. Die Luxus-Jacht treibt im Atlantik vor sich hin, und die Jugendlichen drohen zu verdursten. Dann kommt die vermeintliche Rettung, ein Fischerboot mit den Watermen an Bord, Angehörigen eines uralten, abgeschieden lebenden Volkes. Sie schleppen die Jacht ab und geben den Jugendlichen zu trinken. Doch das Wasser ist präpariert, die sechs Freunde fallen nacheinander in Ohnmacht. Der Horror beginnt, denn die Watermen wollen ihren Fang zu Fischfutter verarbeiten...