Sonntag, 16. März 2014

Hänsel und Gretel: Hexenjäger


Hänsel und Gretel: Hexenjäger (OT: Hansel and Gretel: Witch Hunters, USA/D 2013, Regie: Tommy Wirkola)

Kritik: Na dass mit dem guten alten Märchen „Hänsel und Gretel“ der Brüder Grimm irgendwas nicht stimmen konnte, haben wir ja schon immer geahnt. Eltern würden doch niemals ihre Kinder im Wald aussetzen, nur weil das Essen grad ein bisschen knapp ist oder die Zeiten schlecht sind. Wie es sich auch abgespielt haben könnte, zeigt uns Regisseur Tommy Wirkola in seiner Version des Volksmärchens. Die Geschwister wurden zu ihrem Schutz im Wald ausgesetzt, denn hinter den Kulissen tobte ein Krieg zwischen schwarzen und weißen Hexen, dem dann auch Vater und Mutter von Hänsel und Gretel zum Opfer fielen. Happy End ausgeschlossen. Ganz wie im Märchen erfahren wir in der Pre-Credits-Sequenz, wie Hänsel und Gretel ans Knusperhäuschen einer Hexe gelangen und in die Falle tappen. Hänsel wird von der Hexe mit Süßigkeiten gemästet, was ihm später dann prompt einen ausgewachsenen Diabetes mellitus einbringt. Vor allem dank Gretels furchtlosem Einsatz gelingt es den beiden Rackern, die Hexe dorthin zu befördern, wo wohl alle schwarzen Hexen am besten aufgehoben wären: in den Ofen. Dass bei der Inszenierung des Films viel Wert auf Action gelegt wird, deutet sich hier bereits an.

Schnitt. Hänsel (Jeremy Renner) und Gretel (Gemma Arterton) sind nun erwachsen, und der Zuschauer erfährt mittels abfotografierter Zeitungsausrisse im Schnelldurchlauf, dass Brüderchen und Schwesterchen mittlerweile als Hexenjäger eine große Karriere gemacht haben und, wenn sie denn gerufen werden, gegen Kohle den betroffenen Gemeinden helfen und die Hexen in Asche verwandeln. Ein solches Hexenproblem hat die Stadt Augsburg, in der immer mehr Kinder in der letzten Zeit spurlos verschwunden sind. Wie Hänsel und Gretel dieses Problem zu lösen versuchen und auf welche Widerstände sie dabei stoßen, zeigt Regisseur Wirkola in seinem temporeich inszenierten Fantasy-Action-Abenteuer. Wie schon bei der Information über die Biografie der Geschwister deutlich geworden ist, legt Wirkola dabei keinen allzu großen Wert auf klassisches, langatmiges Erzählen. Über die Charaktere Hänsel und Gretel erfahren wir nicht wirklich viel, auch der Handlungsstrang, der das Techtelmechtel von Hänsel mit einer weißen Hexe behandelt, wird eher oberflächlich dargestellt. Sämtliche Figuren bleiben, und hier sind wir wieder beim typischen Merkmal des klassischen Volksmärchens, eindimensional und schablonenhaft. Aber was dem Märchen nicht schadet, schadet auch diesem Film nicht.

Effekte und schnell geschnittene Kampf- und Actionszenen stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzung der Hexenjäger mit der Hexenarmee, die von einer beeindruckend spielfreudigen Famke Janssen als Oberhexen-Domina angeführt wird. Für eine düstere Atmosphäre sorgen tolle (Hexen-)Masken, Kostüme und Kulissen. Besonders die Szenen, die im finsteren deutschen Wald spielen, sind stimmungsmäßig gelungen. Der Film wurde unter anderem im Studio Babelsberg und in Braunschweig und Umgebung gedreht. Bei dem Marktplatz von Augsburg, der des Öfteren Schauplatz des Geschehens ist, handelt es sich in Wirklichkeit um den Burgplatz in Braunschweig. Dem Zuschauer bleibt jedoch kaum Gelegenheit, die düster-gruselige Atmosphäre in Ruhe zu genießen, denn der Film lässt einem kaum Zeit zum Durchatmen. Neben mit sichtlicher Freude inszenierten Actionsequenzen verwendet Regisseur Wirkola immer wieder auch das Stilmittel des Splatterfilms. Szenen, in denen Köpfe zerquetscht werden, Opfer Gretel vom Amtsrichter und seinen Kohorten verprügelt wird, fliegende Hexen mit einem Maschinengewehr wie Moorhühner vom Himmel geschossen werden oder ihrer körperlichen Unversehrtheit verlustig gehen, wenn sie mit aufgespannten Drähten kollidieren, sind wohl dafür verantwortlich, dass der Film nur eine FSK-16-Freigabe erhielt. Dass sich „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ an Erwachsene und Fast-Erwachsene richtet, heißt nicht, dass er nun auf ganzer Linie ernst genommen werden will. Zu häufig sind die bisweilen lustigen, bisweilen albernen Ideen, zeitgenössische Aspekte einfließen zu lassen (Zuckerkrankheit von Hänsel, Groupie mit Autogrammwunsch und Pressemappe). Das Konzept der alten, buckligen Hexe mit Hakennase wurde ergänzt. Die Entwicklung der Damen, die mit dem Satan im Bunde stehen, ist ähnlich der, die die beliebten Film-Zombies genommen haben, die sich ja auch erst schlurfend kaum auf ihren eigenen zwei Beinen halten konnten und später zu wahren Sprintwundern mutierten. Die Hexen in Wirkolas Film haben Martial-Arts-Fähigkeiten und sind im Zweikampf aufgrund ihrer Schnelligkeit und Gewandtheit kaum zu bezwingen. Diese Zweikämpfe zwischen Hänsel und /oder Gretel und den Hexen werden zeitlich bis zum Anschlag zelebriert. Hier hätte etwas weniger dem Film gut getan. Weit davon entfernt, eine komplexe Handlung zu haben, offenbart „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ seine Geschichte dennoch nicht ungeschickt und peu à peu erst mit fortschreitender Handlung, um dort zu enden, wo sie angefangen hat. 

Wirkolas Film will in erster Linie unterhalten, und das gelingt ihm bestens. Hat man sich erst mal auf Genre und Thematik eingelassen, kommt aufgrund der temporeichen Inszenierung und toller Bilder kaum Langeweile auf. Die Erzählzeit vergeht wie im Hexenflug. Den Hauptdarstellern Jeremy Renner und Gemma Arterton wird zwar nicht allzu viel an Schauspielkunst abverlangt, als Geschwisterpärchen mit heiliger Mission harmonieren sie jedoch wunderbar und glaubwürdig. Famke Janssen als Oberhexe ist der Oberhammer und eine reine Augenweide, Troll Edward, angesiedelt irgendwo zwischen King Kong und Shrek, ist der heimliche Star des Films. Ganz am Rande transportiert „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ im Subtext natürlich auch, wie fast jeder Film, einige moralische Lebensweisheiten, nämlich dass selbst Helden nicht alles wissen können (ja, es gibt auch gute Hexen) und man sich nie mit dem pöbelnden Mob gemein machen sollte, der allzu schnell Köpfe rollen sehen will. Aber das wissen wir selbstverständlich schon länger, denn wir lieben ja phantastische und Horrorfilme. „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ ist gelungene (Heim-)Kino-Unterhaltung, die durch ihre temporeiche Inszenierung und visuellen Angebote zu fesseln vermag. Ich werde mir den Film gerne ein zweites Mal anschauen und ganz gewiss auch das geplante Sequel...

Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Luftangriff der Hexen // Zimmerrenovierung mit roter Farbe // Hexe im Ofen // Troll Edward // roter Himmel // Wald // nackte weiße Hexe

Bewertung: (7/10)