Mittwoch, 30. Juli 2014

Optisch beeindruckendes Fantasy-Spektakel im Märchenkostüm


Maleficent – Die dunkle Fee (OT: Maleficent, USA 2014, Regie: Robert Stromberg)

Kritik: „Dornröschen“ aus Sicht der bösen Fee, das ist wohl die am häufigsten verwendete Formulierung, die man im Zusammenhang mit diesem Film lesen kann. Aber „Maleficent“ ist mehr, ist ein eigenständiges Fantasyabenteuer nach Motiven des Märchens „Dornröschen“, das sich inhaltlich am Walt-Disney-Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1959 orientiert.

Zwei Reiche existieren nebeneinander, das Reich der Wälder und Moore mit Feen und Zauberwesen auf der einen Seite, das Königreich der Menschen auf der anderen Seite. Als junges Mädchen lernt die Fee Maleficent den Jungen Stefan aus dem Reich der Menschen kennen und freundet sich mit ihm an. Jahre später hat sich die Situation geändert. Der König des Menschenreiches will das Land der Moore mit seinen Schätzen erobern, es kommt zum Krieg. Der König und seine Armee werden an der Grenze von den Zauberwesen unter Führung Maleficents vernichtend geschlagen. Der König muss sich zurückziehen und verspricht kurz vor seinem Tod demjenigen den Thron, dem es gelingt, Maleficent zu töten. Der ehrgeizige Stefan trifft sich mit Maleficent unter dem Vorwand, sie zu warnen. Er betäubt sie jedoch mit einem Trank und will sie töten. Das schafft er zwar nicht, zu groß sind die Skrupel, doch er schneidet ihr die Feenflügel ab und geht damit zum König, woraufhin er zum neuen König gekrönt wird. Die verbitterte und kaltherzig gewordene Maleficent rächt sich später, indem sie Aurora, das erstgeborene Kind von König Stefan und seiner Gemahlin, verflucht. An ihrem 16. Geburtstag solle die sich an einer Spindel stechen und in einen immerwährenden todesähnlichen Schlaf fallen. Keine Kraft der Welt könne diesen Fluch rückgängig machen, nur der Kuss der wahren Liebe, an deren Existenz Maleficent nach dem Verrat Stefans aber nicht mehr glaubt...

Robert Stromberg verlässt sich in seinem Regiedebüt zuallererst auf seine ursprünglichen Stärken. Als Szenenbildner hat er bereits zwei Oscars gewonnen, einen für „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2009) und einen weiteren für „Alice im Wunderland“ (2010). Er punktet auch in „Maleficent“ mit seinen visuellen Angeboten und zieht den Zuschauer mit überwältigenden, einmalig schönen Bildern von Anfang an in seinen Bann: Er zeigt uns Landschaften wie in „Avatar“, Schlachten wie in „Der Herr der Ringe“ und Zaubertricks wie in den „Harry Potter“-Filmen. Doch das ist es nicht allein, was „Maleficent“ zu einem einzigartigen Filmerlebnis macht. Auch die Schauspieler, hier vor allem die weiblichen, sind durchgehend zauberhaft. Schon Ella Purnell in ihrem kurzen Auftritt als junge, unschuldige Maleficent ist ein faszinierender Anblick, ebenso Elle Fanning als „Dornröschen“ Aurora. Über allem steht jedoch die Leistung von Angelina Jolie als erwachsene Maleficent. Ihr Aussehen (Kompliment an die Maske), ihre Ausstrahlungskraft und die absolut glaubhaft gespielte Gefühlspalette, die von Erschrecken über Hass und Kampfgeist bis hin zu Liebe und Güte reicht, tragen den Film über weite Strecken. Jolie ist eigentlich die einzige Figur, die nicht eindimensional angelegt ist, die eine psychologische Entwicklung durchmacht. Und das gibt ihr die Möglichkeit, Facetten ihrer Schauspielkunst zu zeigen. Sie überzeugt sowohl als streng den Zauberstab schwingende, von Rachegefühlen beherrschte Feendomina als auch als ihr „Ziehkind“ Aurora beim Aufwachsen zusehende liebevolle „Mutter“. Besonders gelungen sind die Szenen, in denen ihre Figur innerlich zerrissen scheint zwischen den Extremen Hass und Liebe. Chapeau!

Was man an „Maleficent“ kritisiert hat, ist die moralische Schwarz-Weiß-Malerei, besonders symbolisiert durch das moderne, „feminine“ Ende. Alles Gute ist weiblich oder geht vom Weiblichen aus, alles Böse ist männlich oder geht vom Männlichen aus. Hier gestehe man dem Film jedoch die Trumpfkarte „Märchen“ zu. Klassisches Strukturmerkmal des Volksmärchens war schon immer eine klare Gut-Böse-Abgrenzung und eine gewisse Eindimensionalität der Figuren. Wer in „Maleficent“ eine tiefergehende, männerfeindliche ideologische Botschaft sehen will, schießt vielleicht etwas übers Ziel hinaus. Ja, der Film ist ein moralisches Lehrstück in Blockbusterformat, er hat eine moralische Botschaft. Doch die handelt nicht von Geschlechterrollen, sondern von der wahren Liebe, der Überwindung von negativen Gefühlen wie Hass und Rachegelüsten und davon, dass man sich Flüche und Handlungen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, vorher sehr gut überlegen sollte...

„Maleficent“ ist ein bildgewaltiges Fantasy-Spektakel im Märchenkostüm mit Klassiker-Potenzial. Es glänzt durch Schauspielerleistungen auf hohem Niveau, tolle Animationen, faszinierendes Produktionsdesign sowie eine spannend erzählte, allerdings gegen Ende nicht ganz unvorhersehbare Story. Optisch spielt „Maleficent“ in einer Liga mit „Avatar“, „Der Herr der Ringe“ und „Harry Potter“ und gehört zum Besten, was das Fantasygenre je hervorgebracht hat.

Bewertung: (7/10)